vevenklause leer sei, weckte dann Stefenson, Barthel, Piesecke und
noch einige andere verlaessliche Leute, und wir gingen nach verschiedenen
Richtungen auf die Suche.
Morgens drei Uhr kehrte ich todmuede nach Hause zurueck. Die anderen waren
auch noch nicht lange da. Niemand hatte eine Spur von Katharina
entdeckt ...
Noch ehe aber der spaete Morgen graute, wurde die unglueckliche Frau
gebracht. Ein Waltersburger Bauer, der zeitig nach Neustadt fahren wollte,
hatte am Chausseerand ein bewusstloses Weib gefunden und an ihrer Kleidung
erkannt, dass sie zu uns gehoerte. Er hatte die voellig durchnaesste Frau auf
das Stroh seines Waegelchens gebettet und sie mit einer Pferdedecke
zugedeckt.
Ich liess die Bewusstlose nach einem unserer Krankenzimmer am "Stillen Weg"
schaffen und Dr. Michael rufen. Ihn verstaendigte ich ueber das
Vorgefallene, und wir begannen sofort unsere aerztlichen Massnahmen. Wir
verhehlten uns beide nicht, dass wir vor einer sehr ernsten Aufgabe
standen. Saemtliche Maenner, die um das traurige Vorkommnis wussten, auch der
Bauer, gelobten Stillschweigen.
Ich blieb fast den ganzen Vormittag bei der Kranken. Gegen zehn Uhr schlug
sie die Augen auf. Sie laechelte mich an, ohne dass sie bei klarer Besinnung
war, und sagte:
"Der heilige Johannes hat mich getauft; nun bin ich rein von Suenden!"
Die Augen fielen wieder zu, oeffneten sich aber bald aufs neue.
"Ich habe Luise gefunden. Als ich ganz muede war und auf die Strasse fiel,
ist sie zu mir gekommen."
Dann wieder tiefe Bewusstlosigkeit.
Gegen Mittag liess sich meine Mutter bei mir melden. Sie war sehr blass und
rang die Haendchen ineinander.
"Um Gottes willen, wie konnte das geschehen?"
Ich sah sie streng an.
"Es konnte geschehen, weil ihr so unbarmherzig waret, dieser Frau ihr Kind
zu entreissen. Sag mir das eine, Mutter, hast du darum gewusst, dass Joachim
in die Klause eindringen wollte?"
"Nein, ich habe ihm bloss gesagt, wo das Kind ist, und dann nichts
erfahren, bis er Luise brachte."
"Das ist mir lieb. Und wo ist Luise jetzt?"
"Ich - ich habe sie nach Neustadt gebracht zu einer Freundin von mir. Wir
wollten keinen Skandal in Waltersburg oder bei dir hier oben. Joachim
wollte auch bald am Morgen fort."
Ich dachte daran, wie sicher der muetterliche Instinkt die unglueckliche
Katharina geleitet hatte. Auf dem Wege nach Neustadt war sie
zusammengebrochen.
"Was wird nun werden?" fragte die Mutter. "Wie steht es?"
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