"Ich wuerde dieses Zeichen anders auslegen."
"Nein. Sie graemt sich. Sie kann gar nicht schreiben. Waere ich ihr egal,
haette sie mir einen schnippischen, und waere sie ein oberflaechliches Weib,
sofort einen freundlichen Verzeihungsbrief geschrieben. So ist sie ein
braves Maedel, das mich liebt, und schreibt gar nicht."
"Es kann schon so sein", sagte ich muede; "ich hoffe, dass es Eva gut geht!"
"Nun, so ... so ... Vor fuenf Tagen hat sie das erstemal auf der Oper
gesungen. Zwei Kritiker haben sie bestehen lassen; einer hat sie etwas
mitgenommen. Mit dem habe ich mich telephonisch verbinden lassen. Ich habe
den Mann aufgeklaert, um was es sich handelt - so in grossen Zuegen natuerlich
-, und ihm gesagt, dass er mir einen Riesengefallen tun wuerde, wenn er
Fraeulein Eva Bunkert nach Strich und Faden verrisse und an der Oper
unmoeglich mache. Meine eventuelle Erkenntlichkeit fuer ihn habe ich dem
Kritiker wirklich nur ganz diskret und delikat angedeutet. Trotzdem hat
mir der Grobian gesagt, es sei schade, dass sich telephonisch keine
Ohrfeigen austeilen liessen; im uebrigen sei Fraeulein Bunkert ein
ausserordentlich hoffnungsvolles Talent. Das habe ich davon. Nun wird sie
auch dieser Kerl loben. Ach, du lieber Gott, die deutschen
Zeitungsschreiber sind sehr verschiedener Art."
"Und Sie fuerchten gar nicht, dass Eva Bunkert Ihnen verlorengehen koennte?"
"Nicht eine Minute. Sie hat gebissen. Ich halte sie fest. Wenn sie noch
ein wenig herumzappeln will, kann ich ihr den Spass ja goennen."
So purzelte Stefensons draufgaengerische, frische Art durch den bangsten
Tag meines Lebens. Und als ich am naechsten Morgen nach tiefem Schlaf
erwachte, fuehlte ich mich gesund und munter, stark genug, dem Leben ins
Auge zu schauen und mit Lust und Freude an meinem schoenen Werke weiter zu
schaffen.
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Etwa drei Wochen spaeter besuchte mich Stefenson wieder in meinem
Arbeitszimmer. Auf dem Tische lag die neueste Nummer der "Neustaedter
Umschau".
"Ich habe diesmal nichts drin", sagte Stefenson und wies auf die Zeitung.
Trotzdem schlug er sie auf. Und mit einem Male riss er die Augen auf, trat
ans Fenster.
"Haben Sie schon - haben Sie schon gelesen?" fragte er aufgeregt.
"Was denn? Was steht denn wieder in dem Schundblatt? Ich habe noch gar
nicht hineingeschaut."
"Da - da ..."
Er wies auf eine kleine Notiz. Ich las:
"Verlobung. Die Opernsaengerin E
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