igkeit.
"Vor vier Tagen habe ich ihr einen Brief geschrieben, habe sie gebeten,
sie moege doch von ihrem Groll ablassen. Wenn sie es schon nicht einsehen
wolle, dass ein Mann, der sein ganzes Lebensschicksal an eine Frau ketten
wolle, zu deren gruendlichster Pruefung berechtigt sei, so solle sie halt
denken, dass es mir doch auch Spass gemacht habe, mal in den Ferien vom Ich
eine unerkannte Rolle zu spielen, und dass ich doch eigentlich als Knecht
Ignaz um sie gedient habe wie Jakob um die geliebte Rahel. Sehen Sie, von
diesem Brief glaubte ich, er sei eigentlich zu deutsch, zu sentimental.
Aber es war mir so ums Herz, und so schickte ich ihn ab. Der Brief wird
gerade zu ihrer Verlobung zurechtgekommen sein."
Es schuettelte ihn vor Schmerz und Zorn.
DER FUCHS UND DIE SIBYLLE
Es war Abend, als ich am Grundhof vorbeischlich und mich an der Reihe
windbruechiger Weiden, die am alten Waltersburger Weg stehen, hinab zum
Hause der Sibylle schlaengelte. Das kleine Anwesen sah schaebig und
unordentlich aus. Die Tuer stiess einen graemlichen Quieker aus, als ich
eintrat. Der Hausflur war finster, aber in dem daranstossenden Zimmer,
dessen Fenster mit buntem Kattun verhaengt waren, brannte eine kleine
Lampe. Die "Sibylle" erhob sich und kam mir entgegen. Mit krummem Ruecken,
auf einen Stock gestuetzt, hob sie ihr verrunzeltes Gesicht, das in dem
trueben Lichte der kleinen Lampe ganz gespenstisch aussah, zu mir empor.
"Wird er kommen?" fragte sie.
"Ich weiss es nicht. Aber ich hoffe es; denn ich habe es ihm kraeftig
eingeredet. Ich gehe einstweilen in die Nebenstube und passe auf. Halten
Sie sich genau an unsere Abmachungen."
"Jawohl!" nickte das Weib.
Ich musste eine Stunde lang warten und gab den Plan, den ich gefasst hatte,
beinahe auf. Noch zweimal hatte Stefenson heute von der Wahrsagerin
angefangen, und ich hatte ihm einige sehr merkwuerdige Faelle erzaehlt, in
denen die Voraussagungen der Sibylle in verblueffender Weise eingetroffen
waren. Nun kam er doch nicht. Schon wollte ich meinen Lauscherposten
verlassen, da sah ich den alten Fuchs um die Wegkruemmung treten und
vorsichtig umherspaehen.
"Er kommt!" sagte ich zu der Sibylle durch die Tuer. "Nun machen Sie Ihre
Sache gut."
Fuenf Minuten spaeter hoerte ich nebenan Stefenson eintreten.
"Guten Abend", sagte er etwas verlegen. "Ich komme mal zu Ihnen. Sie
brauchen sich deswegen nicht etwa einzubilden, dass ich auf Ihre
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