Damit steht aber nicht im Widerspruch, wenn wir an einer
unloesbaren Verbindung des Erkennens mit seinem Gegenstande festhalten und
insofern von einer wechselseitigen Abhaengigkeit einerseits des Erkennens
vom Gegenstande und anderseits des Gegenstandes vom Erkennen reden. Wenn
das Erkannte auch nicht _durch_ das Erkennen ist, so bleibt doch die
Annahme moeglich, dass es nicht _ohne_ das Erkennen sein kann und insofern
von ihm abhaengig ist. Ausgeschlossen ist hierbei die rationalistische
Annahme, dass das Erkennen seinen Gegenstand aus sich selbst schoepft; aber
auch die empiristische Annahme ist unrichtig, dass dem Erkennen sein
Gegenstand einfach gegeben wird. Das Gegebene ist noch nicht das Erkannte;
das Erkennen darf den Gegenstand weder erzeugen oder auch nur aendern, noch
kann es ihn als Unerkanntes als Ding an sich erfassen.
Indes ganz abgesehen davon koennen wir die Definition, wie sie gewoehnlich
gegeben wird, nicht gebrauchen, schon wegen der Unbestimmtheit und
Vieldeutigkeit des Wortes "Gegenstand", und es wuerde daran auch dann
nichts geaendert, wenn wir dieses Wort durch das nicht minder unbestimmte
und vieldeutige "Wirklichkeit" ersetzten. _Fuer uns giebt es nur einen
Gegenstand des Erkennens, und das ist die Wahrheit._ Wir nehmen an, dass
wir die Wahrheit erkennen koennen, erklaeren uns aber ausser Stande, von dem
was Wahrheit ist, eine Definition zu geben. Wenn wir aber auch keine
eigentliche Definition von dem Begriff der Wahrheit zu geben vermoegen, so
koennen wir doch wenigstens ein Merkmal dieses Begriffs aufweisen und in
ihm uns seinen Inhalt vergegenwaertigen. Das Merkmal ist freilich kein
letztes Unterscheidungsmerkmal, aber doch ein wesentlicher, wenn nicht der
wesentlichste Bestandteil des Begriffs der Wahrheit. Wir koennen ferner
auch ein Kennzeichen der Wahrheit angeben, an dem wir Wahrheit und
Falschheit unterscheiden, und damit den Umfang dieses Begriffs bestimmen.
Wie so oft muss auch hier die genauere Bestimmung des Umfangs einen Ersatz
bieten fuer die unzulaengliche Festsetzung des Inhalts. Das Kennzeichen ist
freilich nur ein aeusseres, aber als einziges unterscheidendes Kennzeichen
nicht bloss praktisch unentbehrlich, sondern auch von entscheidender
Wichtigkeit.
Zweite Untersuchung.
Der ueberzeitliche Charakter der Wahrheit.
Aus Thatsachen und Gedanken, d. h. aus dem Vorgefundenen und aus unsren
nicht willkuerlichen sondern dem Vorgefundenen entsprechenden Zuthaten,
bauen
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