adurch wesentlich von der vermeintlichen Einsicht. Wie solche blinden
Urteile und Ueberzeugungen des vernuenftigen, sie rechtfertigenden Grundes
ermangeln, der nur in dem Einleuchten der Wahrheit bestehen kann, so
ermangeln sie damit auch des Kennzeichens der Wahrheit, das eben in diesem
Einleuchten besteht. Wenn sie wahr sind, so sind sie doch nur zufaelliger
Weise wahr; eine Buergschaft fuer ihre Wahrheit bieten sie in keiner Weise.
Mit der in der Einsicht bestehenden Erkenntnis ist immer eine Gewissheit
verbunden, sie ist von derselben unabtrennbar. Unter Gewissheit aber
verstehen wir eine Ueberzeugung, die jeden Zweifel ausschliesst. So lange
wir zweifeln, hin- und herschwanken, oder auch die Gruende fuer oder gegen
eine Sache abwaegen, erkennen wir nicht. Wenn wir aber sagen: das ist
zweifelhaft, entweder weil gar keine Gruende dafuer sprechen, oder weil die
Gruende, die dafuer sprechen, nicht durchschlagend sind; wenn wir ferner
sagen: das ist wahrscheinlich oder das ist unwahrscheinlich, weil mehr
oder weniger Gruende fuer eine Sache sprechen als fuer ihr Gegenteil, so ist
das eine Erkenntnis; wir sagen so, weil wir es einsehen. Eine
wahrscheinliche oder zweifelhafte Einsicht giebt es nicht, sondern nur
eine Einsicht, dass etwas wahrscheinlich oder zweifelhaft ist. Die
Einsicht ist eben immer mit der Gewissheit verbunden und von ihr
unabtrennbar, aber auch die blinde Ueberzeugung kann jeden Zweifel
ausschliessen und so zur Gewissheit werden. Von dieser Art ist
unzweifelhaft die Ueberzeugung des Fanatikers oder desjenigen, der
blindlings einem Andern in rueckhaltloser, unbedingter Weise vertraut. Ihre
Ueberzeugung schliesst sicher jeden Zweifel aus und muss darum als
Gewissheit bezeichnet werden. Freilich ist das eine blinde Gewissheit, die
von der auf Einsicht beruhenden und von ihr unabtrennbaren Gewissheit
verschieden ist. Offenbar hat die Gewissheit, insofern sie jeden Zweifel
ausschliesst, also nach ihrer negativen Seite, keine Grade; nach ihrer
positiven Seite hat sie allerdings, wenigstens als blinde Gewissheit,
ebenso wie die blinde Ueberzeugung, Grade. Die blinde Gewissheit kann nicht
als ein Maximum der blinden Ueberzeugung betrachtet werden, sondern ist
durch die Leidenschaftlichkeit des Blindglaubenden einer Steigerung bis
ins Unermessliche faehig. Anders scheint es mit der auf Einsicht beruhenden
Gewissheit zu sein. Die Einsicht hat natuerlich keine Grade, sie ist
entweder vorhanden oder nicht vorhande
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