utung im
Gegensatze zu dem vergaenglichen Scheine ins Auge gefasst und gewertet. In
diesem hoechsten Sinne des Wortes Wahrheit endlich wird alle Wahrheit in
der christlichen Religion als auf Eingebung, Inspiration, Offenbarung
beruhend betrachtet.
Fuer die Erkenntnis der Wahrheit in diesem hoechsten Sinne gilt dann
freilich auch wieder Glaube, Liebe und Sittlichkeit als Bedingung. "Wer
meine Worte haelt und danach thut, der wird erkennen, dass sie wahr sind".
Insofern muss zugestanden werden, dass die Wahrheit wohl an sich, nicht
aber fuer uns das hoechste Gut ist. Fuer uns ist die Sittlichkeit ein hoeheres
Gut als die Wahrheit und hinwiederum die Seligkeit, der Friede, ein
hoeheres Gut als die Sittlichkeit. Denn nur wenn wir die Seligkeit oder den
Frieden erlangt haben, koennen wir sittlich leben, und das sittliche Leben
hinwiederum ist Bedingung der Erkenntnis der Wahrheit im vollen Sinne des
Wortes. Insofern gilt der Primat des Willens, nicht der Primat des
Intellekts; insofern koennen wir auch die beiden letzten Glieder der fuer
das Zustandekommen des Glaubens wichtigen Reihe notitia assensus
(Einsicht) fiducia umkehren und sagen notitia fiducia assensus, was
uebrigens auf den alten Satz von der fides quaerens intellectum
hinauskommt.
Man unterscheidet Eingebung und Offenbarung. Eingebungen, Inspirationen
werden einem Einzelnen zuteil, und wenn dieser sie andren mitteilt als von
Gott stammend oder auf Inspiration beruhend, so werden sie Offenbarungen
genannt. Kann der, dem die Eingebung zuteil wird, diese wirklich als
Eingebung erkennen? Will man das bezueglich der kuenstlerischen und
wissenschaftlichen Eingebungen nicht leugnen, so ist kein Grund vorhanden,
es fuer die religioesen Eingebungen zu bestreiten. Dass der religioes
Inspirierte seine Eingebungen auf Gott zurueckfuehrt, spricht nicht dagegen.
Gott ist ihm der Koenig und Herrscher im Reiche der Wahrheit, und vom
Glaeubigen wie von dem Kuenstler und Gelehrten gilt, dass er sein ganzes
Sein und Wesen von diesem Reiche der Wahrheit zu Lehen traegt und nur als
Glied dieses Reiches ein Sein und Wesen besitzt. Wie alle Dinge, so stehen
auch die bevorzugten Menschen, die Kuenstler, Gelehrten und religioes
Inspirierten unter dem unmittelbaren Einflusse dieses Reiches und werden
von ihm unmittelbar beruehrt. Warum sollten sie nicht eine Einsicht und
darum eine wirkliche Erkenntnis davon gewinnen koennen, dass ein in ihnen
auftauchender Gedanke nicht das Ergebnis
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