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Thatsachenurteile; die geschichtlichen Wissenschaften bestehen fast
lediglich aus ihnen.
Es ist wichtig zu beachten, dass den geschichtlichen Thatsachen, die wir
saemtlich der Mitteilung andrer verdanken, kein geringerer, im Gegenteil
sicher ein hoeherer Erkenntniswert zukommt als, ganz allgemein gesprochen,
den Wissensinhalten der Naturwissenschaften, von denen wir viele durch
unsere eigene Beobachtung gewinnen und die wir, wenn sie durch Beobachtung
andrer gewonnen wurden, nachpruefen koennen, die ferner wegen ihrer
groesseren Einfachheit eher die Herstellung gesetzlicher, den
Begriffsurteilen sich naehernder Zusammenhaenge ermoeglichen. Wir haben
gesehen, dass sich uns die Natur als eine gebrochene Einheit, nicht als
eine wahre Vielheit darstellt; damit haengt zusammen, dass das Einzelne in
der Natur nur als Beispiel einer Gattung und Art und nicht als solches
Bedeutung hat. Den Botaniker interessiert dieses bestimmte Exemplar einer
viola tricolor nur als Beispiel der Art. Ganz anders in der Geschichte.
Die geschichtlichen Personen bilden eine wirkliche Vielheit. Jede einzelne
hat ihren Wert, ist sozusagen eine Gattung, eine Art fuer sich. Eben darum
stellen die geschichtlichen Thatsachen dem Erkennen eine viel schwerer zu
bewaeltigende Aufgabe als die Naturthatsachen; sie bieten dem Erkennen zu
gleicher Zeit aber auch einen Reichtum und eine Lebensfuelle, hinter der
die reichste und lebensvollste Ausstattung der Naturgestalten
zurueckbleibt. Die Geschichte ist die Quelle von Gedanken, welche uns der
Loesung des Raetsels des Weltgeschehens naeher bringen, waehrend die Natur
unsren Fragen gegenueber verstummt. Von dem Koerperlichen, dem eigentlichen
Gegenstande der Naturwissenschaft, wissen wir strenggenommen nicht, was es
ist; von den Triebfedern und Beweggruenden menschlicher Handlungen, die
sich uns als die Hebel der geschichtlichen Entwicklung darstellen, haben
wir eine eigentliche, in einer Einsicht bestehende Erkenntnis. Ausserdem
ist das Koerperliche sicher dem fuer die Geschichte massgebenden und
bestimmenden Geistigen untergeordnet und hat in ihm seinen Zweck. Was
haben beispielsweise die freilich bloss hypothetisch angenommenen
Aetherschwingungen und die wirklich zu konstatierenden Luftschwingungen
sonst fuer einen Zweck, als in unserem Bewusstsein die Farben und die Toene
zu erzeugen und damit den Kuensten der Malerei und Musik zur Geburt zu
verhelfen? Es giebt einen der Natur innewohnenden Zweckzusamm
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