unterscheiden, um die Merkmale ihres
Begriffes auffinden und entdecken zu koennen. Nicht jeder verfuegt ueber
diesen Blick. Viele bleiben an dem Aeusserlichen und Nebensaechlichen mit
ihrem Denken haften. Wir sagen dann, sie koennen nicht denken. Wie sie des
eigentuemlichen Erlebnisses, das wir als Einsicht bezeichnen, ermangeln und
sich kaum ueber die Stufe des bloss associativen Wissens erheben, so fehlt
ihnen auch der Blick des Geistes, durch den allein das Wesentliche erfasst
werden kann. Eines solchen Blickes bedarf es nun auch, um den Gedanken zu
erfassen, der in einem Kunstwerke ausgedrueckt ist. Aber fuer den Kuenstler
selbst, der den Gedanken in dem Stoffe verwirklicht, genuegt dieser Blick
nicht. Ihm muss der Gedanke _gegeben_ werden. Und das geschieht eben durch
die Eingebung oder Inspiration. Sie ist, wie ersichtlich, von dem Blicke
des Geistes, durch den wir das Wesen, den Kern der Sache erfassen,
verschieden. Dieser Blick orientiert sich an der aeussern Erscheinung des
Wesens, er ist durch sie bedingt und wird durch sie bestimmt, obgleich er
sozusagen durch sie hindurchdringt und ueber sie hinausgeht. Die
Inspiration oder Eingebung hingegen ist ein objektiver Zustand, der ohne
unser Zuthun zustande kommt, dem gegenueber wir uns leidend verhalten. Sie
setzt natuerlich in uns eine Empfaenglichkeit voraus, die mannigfach
vermittelt ist; ihre Auffassung haengt darum von einer bestimmten
Entwicklung des Bewusstseins ab. Man kann die Inspiration mit dem
Einleuchten der Zusammengehoerigkeit vergleichen und muss dann die
Auffassung der Inspiration mit der Einsicht zusammenstellen. Auch bei der
Eingebung handelt es sich um Zusammenhaenge, um Zusammengehoerigkeiten,
freilich andrer, hoeherer Art als bei dem Einleuchten, wie sie
beispielsweise das Motto der Goetheschen Iphigenie darstellt: Alles
irdische Gebrechen suehnet reine Menschlichkeit. In der schaffenden
Thaetigkeit des Kuenstlers nun spielt vor allem die Inspiration oder
Eingebung eine Rolle, sie macht sich die Phantasie des Kuenstlers dienstbar
und laesst sie an seiner Schoepferkraft teilnehmen. Die so schoepferisch
gewordene Phantasie schaltet und waltet mit ihrem sinnlichen Stoff gemaess
der Eingebung, ihn formend und gestaltend.
Natuerlich sagen wir nicht, dass alle Ideen, die unsren Kunstwerken
zugrunde liegen oder die in ihnen verkoerpert sind, auf einer Eingebung
beruhen. Oft ist das Kunstwerk ja nur eine Darstellung des in Erfahrung
und Geschichte G
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