einem Gegenteil
unterscheiden koennen, muss das auch dort gelten. Ist aber dies der Fall,
dann kann sich mit der Erkenntnis der Lebensfuehrung des Einzelnen, wie sie
sich aeusserlich kundgiebt, auch die Vorstellung der Sittlichkeit, der
Religiositaet verbinden und die Zugehoerigkeit dieser innern Vorzuege zu ihr
uns einleuchten, sodass wir nun auch von diesem Leben nach seiner innern
sittlich religioesen Seite eine Einsicht und wirkliche Erkenntnis haben
koennen. Oft macht das Leben eines Menschen auf uns einen so
ueberwaeltigenden Eindruck, dass wir bezueglich der Lauterkeit und Reinheit
seiner Gesinnung eine durch nichts zu erschuetternde Ueberzeugung gewinnen
und uns sagen muessen und wirklich sagen, dass, wenn hier keine Einsicht
vorhanden ist, es ueberhaupt keine Einsicht giebt. Es ist merkwuerdig, dass
die solchen seltenen Menschen Nahestehenden und mit ihnen Umgehenden trotz
der entgegengesetzten Erfahrung, die sie an sich selbst und an andren
machen, in diesem ihre Einsicht betreffenden Urteil uebereinstimmen, auch
wenn der sogenannte Verehrungssinn in ihnen wenig oder gar nicht
entwickelt ist. Natuerlich sind wir bei dieser auf Einsicht
zurueckzufuehrenden Erkenntnis des Innern andrer auch auf ihre Worte als
ungewollte und unbeabsichtigte Selbstbeurteilungen angewiesen, also auch
auf die Mitteilungen andrer. Ob und inwiefern wir bezueglich der
Mitteilungen andrer auch von wirklichen Erkenntnissen oder Einsichten
reden koennen, darueber bedarf es einer besondren Untersuchung, der wir den
Titel Geschichtliche Erkenntnisse geben, da die geschichtlichen
Mitteilungen unter den Mitteilungen andrer die erste Stelle einnehmen.
Vierundzwanzigste Untersuchung.
Geschichtliche Erkenntnisse.
Den Mitteilungen andrer gegenueber sind wir gewohnt, von einem Dafuerhalten
zu reden, das wir mit dem geringschaetzigen Namen Glauben bezeichnen und
insofern dem Wissen als etwas Minderwertiges gegenueberstellen. Wir
vergessen dabei gewoehnlich, dass unser ganzes Gerichtsverfahren, auch wenn
es sich bei ihm um Leben und Tod handelt, auf Zeugenaussagen, also auf
einem Glauben in diesem Sinne beruht, und dass das Leben in der Familie,
in der Gesellschaft, im Staate, jeder Verkehr mit unsresgleichen ohne ihn
unmoeglich wuerde. Sicher ist, dass blosse Mitteilungen an sich genommen
keine Einsichten sind, wenigstens nicht fuer diejenigen, denen die
Mitteilungen gemacht werden. Mitgeteilte Urteile sind zunaechst noch keine
von uns g
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