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unwillkuerlich unsere eigene Miene. Wo alles lacht, muessen auch wir lachen;
wo alles weint, koennen wir uns des Weinens nicht enthalten, und wenn wir
auch nicht wirklich mitlachen oder mitweinen sollten, so werden wir doch
froehlich oder traurig gestimmt. So lange wir Kinder sind und noch nicht
gelernt haben, unsren Gefuehlsaeusserungen Zuegel anzulegen, werden wir nicht
bloss froehlich mit den Froehlichen und traurig mit den Traurigen; wir
lachen wirklich mit den einen und weinen mit den andren. Das ist die
Regel. Natuerlich giebt es Ausnahmen, bei Kindern sowohl als bei
Erwachsenen, wenn sie sehr egoistische, sehr gefuehllose Naturen sind. Das
Merkwuerdige hierbei ist nur, dass die ansteckende Wirkung nicht bloss bei
den Gefuehlsaeusserungen stehen bleibt, sondern sofort auch, und wie es
wenigstens bei den Erwachsenen scheint, mit groesserer Sicherheit auf die
Gefuehle selbst uebergeht. Nehmen wir nun an, dass wir von unsren
Mitmenschen nach ihrer leiblichen Erscheinung bereits eine Erkenntnis
gewonnen haben, ist es dann nicht natuerlich, dass wir in diesen uns
aufgedraengten Gefuehlen und sonstigen Bewusstseinsvorgaengen ihre eigenen
erblicken, dass die Zusammengehoerigkeit dieser ihrer Bewusstseinsvorgaenge
mit ihrer leiblichen Erscheinung sich uns aufdraengt, uns unmittelbar
einleuchtet und wir so eine unmittelbare Einsicht, eine unmittelbare
wirkliche Erkenntnis von dieser Zusammengehoerigkeit und damit von den
fremden Bewusstseinen gewinnen? So erklaert sich denn die allbekannte
Erscheinung von der unwillkuerlich in unsren Kindern auftretenden Abneigung
gegen Personen, die Kinder nicht leiden koennen oder die von schlechter
Gemuetsart sind. Das Gefuehl der Abneigung gegen Kinder, gegen alle Menschen
ueberhaupt, teilt sich den Kindern mit, und in diesem Gefuehle lesen sie
gleichsam unmittelbar in der Seele des andren und sehen, was in ihr
vorgeht. Ich brauche nicht zu bemerken, dass diese Erscheinung zu den
Erfahrungen gehoert, die wir taeglich an uns selbst machen koennen und die
somit als eine allgemein menschliche Erscheinung betrachtet werden muss,
mithin auch fuer das Leben der Erwachsenen gilt. Die Unmittelbarkeit der
Erkenntnis der fremden Bewusstseine hat im Grunde nichts Auffaelliges. Das
Gegenteil ist nur scheinbar natuerlicher; der Raum, der uns anscheinend von
dem fremden Bewusstsein trennt, gehoert selbstverstaendlich nur unserer
Vorstellung an. Eine actio in distans, Einwirkung aus der Ferne muss na
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