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es mich anfangs kraenken, dass du meine tiefste Empfindung als die
Schwaermerei eines kranken Knaben behandeltest und die Heiligtuemer meiner
Seele mit bittrem Spott antasten wolltest - nur wolltest, denn sie sind
unantastbar, - so ergriff mich doch statt dessen bald das Gefuehl des
Mitleids mit dir. Wehe, dass ein Mann wie du, so ueberreich an Kraeften des
Geistes, darbest an den Guetern des Herzens. Wehe, dass du die Wonne der
Hingebung nicht kennst und jene opferfreudige Liebe, die ein von dir mehr
verspotteter als verstandner Glaube, den mir jeder Tag des Schmerzes naeher
bringt, die _caritas_, die Naechstenliebe, nennt: Wehe dir, dass du das
Herrlichste nicht kennst! Vergieb die Freiheit dieser meiner Rede: ich
weiss, ich habe noch nie in solchen Worten zu dir gesprochen: aber erst
seit kurzem bin ich, der ich bin. Vielleicht nicht ganz mit Unrecht hat
noch dein letzter Brief Spuren von Knabenhaftigkeit an mir gegeisselt. Ich
glaube, sie sind seitdem verschwunden und ein Verwandelter sprech' ich zu
dir. Dein Brief, dein Rat, deine "Arzenei" hat mich allerdings zum Manne
gereift, aber nicht in deinem Sinn und nicht nach deinem Wunsch. Schmerz,
heiligen, laeuternden Schmerz hat er mir gebracht, er hat diese
Freundschaft, die er verdraengen sollte, auf eine harte Probe gestellt,
aber, der Guete Gottes sei's gedankt, er hat sie im Feuer nicht zerstoert,
sondern gehaertet fuer immer.
Hoere und staune, was der Himmel aus deinen Plaenen geschaffen hat.
Wie wehe mir dein Brief gethan, - in alter Gewohnheit des Gehorsams
befolgte ich alsbald seinen Auftrag und suchte deinen Gastfreund auf, den
Purpurhaendler Valerius Procillus. Er hatte bereits die Stadt verlassen und
seine reizende Villa bezogen. Ich fand an ihm einen vielerfahrnen Mann und
einen eifrigen Freund der Freiheit und des Vaterlandes: in seiner Tochter
Valeria aber ein Kleinod.
Du hattest recht prophezeit. Meine Absicht, mich gegen sie zu
verschliessen, zerschmolz bei ihrem Anblick wie Nebel vor der Sonne: mir
war Elektra oder Kassandra, Cloelia oder Virginia stehe vor mir. Aber mehr
noch als ihre hohe Schoenheit bezauberte mich der Schwung ihrer
unsterblichen Seele, die sich alsbald vor mir aufthat. Ihr Vater behielt
mich sogleich als seinen Gast im Hause und ich verlebte unter seinem Dach
mit ihr die schoensten Tage meines Lebens. Die Poesie der Alten ist der
Aether ihrer Seele.
Wie rauschten die Choere des Aeschylos, wie ruehrend toente Antigones Kla
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