nteils viel scharfsichtiger ist, als das scharfsichtigste seiner
Betrachter. Unter zwanzig Einwuerfen, die ihm diese machen, wird er sich
von neunzehn erinnern, sie waehrend der Arbeit sich selbst gemacht und sie
auch schon sich selbst beantwortet zu haben.
Gleichwohl wird er nicht ungehalten sein, sie auch von andern machen zu
hoeren: denn er hat es gern, dass man ueber sein Werk urteilet; schal oder
gruendlich, links oder rechts, gutartig oder haemisch, alles gilt ihm
gleich; und auch das schalste, linkste, haemischste Urteil ist ihm lieber,
als kalte Bewunderung. Jenes wird er auf die eine oder die andre Art in
seinen Nutzen zu verwenden wissen: aber was faengt er mit dieser an?
Verachten moechte er die guten ehrlichen Leute nicht gern, die ihn fuer so
etwas Ausserordentliches halten: und doch muss er die Achseln ueber sie
zucken. Er ist nicht eitel, aber er ist gemeiniglich stolz; und aus Stolz
moechte er zehnmal lieber einen unverdienten Tadel als ein unverdientes
Lob auf sich sitzen lassen.--
Man wird glauben, welche Kritik ich hiermit vorbereiten will.--
Wenigstens nicht bei dem Verfasser,--hoechstens nur bei einem oder dem
andern Mitsprecher. Ich weiss nicht, wo ich es juengst gedruckt lesen
musste, dass ich die "Amalia" meines Freundes auf Unkosten seiner uebrigen
Lustspiele gelobt haette.[3]--Auf Unkosten? aber doch wenigstens der
fruehern? Ich goenne es Ihnen, mein Herr, dass man niemals Ihre aeltern Werke
so moege tadeln koennen. Der Himmel bewahre Sie vor dem tueckischen Lobe:
dass Ihr letztes immer Ihr bestes ist!--
----Fussnote
[1] S. den 11. Abend.
[2] S. den 27. und 33. und 37. Abend.
[3] Eben erinnere ich mich noch: in des Herrn Schmids "Zusaetzen zu
seiner Theorie der Poesie", S. 45.
----Fussnote
Vierundsiebzigstes Stueck
Den 15. Januar 1768
Zur Sache.--Es ist vornehmlich der Charakter des Richards, worueber ich
mir die Erklaerung des Dichters wuenschte.
Aristoteles wuerde ihn schlechterdings verworfen haben; zwar mit dem
Ansehen des Aristoteles wollte ich bald fertig werden, wenn ich es nur
auch mit seinen Gruenden zu werden wuesste.
Die Tragoedie, nimmt er an, soll Mitleid und Schrecken erregen: und daraus
folgert er, dass der Held derselben weder ein ganz tugendhafter Mann noch
ein voelliger Boesewicht sein muesse. Denn weder mit des einen noch mit des
andern Ungluecke lasse sich jener Zweck erreichen.
Raeume ich dieses ein: so ist "Richard der Dritte" eine Tragoe
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