erhaupt keine strenge logische
Definition von der Tragoedie geben wollen. Denn ohne sich auf die bloss
wesentlichen Eigenschaften derselben einzuschraenken, hat er verschiedene
zufaellige hineingezogen, weil sie der damalige Gebrauch notwendig gemacht
hatte. Diese indes abgerechnet, und die uebrigen Merkmale ineinander
reduzieret, bleibt eine vollkommen genaue Erklaerung uebrig: die naemlich,
dass die Tragoedie, mit einem Worte, ein Gedicht ist, welches Mitleid
erreget. Ihrem Geschlechte nach ist sie die Nachahmung einer Handlung; so
wie die Epopee und die Komoedie: ihrer Gattung aber nach, die Nachahmung
einer mitleidswuerdigen Handlung. Aus diesen beiden Begriffen lassen sich
vollkommen alle ihre Regeln herleiten: und sogar ihre dramatische Form
ist daraus zu bestimmen.
An dem letztern duerfte man vielleicht zweifeln. Wenigstens wuesste ich
keinen Kunstrichter zu nennen, dem es nur eingekommen waere, es zu
versuchen. Sie nehmen alle die dramatische Form der Tragoedie als etwas
Hergebrachtes an, das nun so ist, weil es einmal so ist, und das man so
laesst, weil man es gut findet. Der einzige Aristoteles hat die Ursache
ergruendet, aber sie bei seiner Erklaerung mehr vorausgesetzt, als deutlich
angegeben. "Die Tragoedie", sagt er, "ist die Nachahmung einer
Handlung,--die nicht vermittelst der Erzaehlung, sondern vermittelst des
Mitleids und der Furcht die Reinigung dieser und dergleichen
Leidenschaften bewirket." So drueckt er sich von Wort zu Wort aus. Wem
sollte hier nicht der sonderbare Gegensatz, "nicht vermittelst der
Erzaehlung, sondern vermittelst des Mitleids und der Furcht", befremden?
Mitleid und Furcht sind die Mittel, welche die Tragoedie braucht, um ihre
Absicht zu erreichen: und die Erzaehlung kann sich nur auf die Art und
Weise beziehen, sich dieser Mittel zu bedienen oder nicht zu bedienen.
Scheinet hier also Aristoteles nicht einen Sprung zu machen? Scheinet
hier nicht offenbar der eigentliche Gegensatz der Erzaehlung, welches die
dramatische Form ist, zu fehlen? Was tun aber die Uebersetzer bei dieser
Luecke? Der eine umgeht sie ganz behutsam: und der andere fuellt sie, aber
nur mit Worten. Alle finden weiter nichts darin, als eine vernachlaessigte
Wortfuegung, an die sie sich nicht halten zu duerfen glauben, wenn sie nur
den Sinn des Philosophen liefern. Dacier uebersetzt: d'une action--qui,
sans le secours de la narration, par le moyen de la compassion et de la
terreur usw.; und Curtius: "einer Handl
|