en Mangel derselben abhelfe oder sie
in dem, welcher allzu wenig von ihm empfindet, zu einem heilsamem Grade
erhoehe; geschweige, dass er auch das uebrige sollte gezeigt haben. Die nach
ihm gekommen, haben, was er unterlassen, auch im geringsten nicht ergaenzet;
aber wohl sonst, um nach ihrer Meinung den Nutzen der Tragoedie voellig ausser
Streit zu setzen, Dinge dahin gezogen, die dem Gedichte ueberhaupt, aber
keinesweges der Tragoedie, als Tragoedie, insbesondere zukommen; z.E. dass sie
die Triebe der Menschlichkeit naehren und staerken; dass sie Liebe zur Tugend
und Hass gegen das Laster wirken solle usw.[1] Lieber! welches Gedicht sollte
das nicht? Soll es aber ein jedes: so kann es nicht das unterscheidende
Kennzeichen der Tragoedie sein; so kann es nicht das sein, was wir suchten.
----Fussnote
[1] Hr. Curtius in seiner "Abhandlung von der Absicht des Trauerspiels",
hinter der Aristotelischen Dichtkunst".
----Fussnote
Neunundsiebzigstes Stueck
Den 2. Februar 1768
Und nun wieder auf unsern Richard zu kommen.--Richard also erweckt
ebensowenig Schrecken, als Mitleid: weder Schrecken in dem gemissbrauchten
Verstande, fuer die ploetzliche Ueberraschung des Mitleids; noch in dem
eigentlichen Verstande des Aristoteles, fuer heilsame Furcht, dass uns ein
aehnliches Unglueck treffen koenne. Denn wenn er diese erregte, wuerde er
auch Mitleid erregen; so gewiss er hinwiederum Furcht erregen wuerde, wenn
wir ihn unsers Mitleids nur im geringsten wuerdig faenden. Aber er ist so
ein abscheulicher Kerl, so ein eingefleischter Teufel, in dem wir so
voellig keinen einzigen aehnlichen Zug mit uns selbst finden, dass ich
glaube, wir koennten ihn vor unsern Augen den Martern der Hoelle uebergeben
sehen, ohne das geringste fuer ihn zu empfinden, ohne im geringsten zu
fuerchten, dass, wenn solche Strafe nur auf solche Verbrechen folge, sie
auch unsrer erwarte. Und was ist endlich das Unglueck, die Strafe, die ihn
trifft? Nach so vielen Missetaten, die wir mit ansehen muessen, hoeren wir,
dass er mit dem Degen in der Faust gestorben. Als der Koenigin dieses
erzaehlt wird, laesst sie der Dichter sagen:
"Dies ist etwas!"--
Ich habe mich nie enthalten koennen, bei mir nachzusprechen: nein, das ist
gar nichts! Wie mancher gute Koenig ist so geblieben, indem er seine Krone
wider einen maechtigen Rebellen behaupten wollen? Richard stirbt doch, als
ein Mann, auf dem Bette der Ehre. Und so ein Tod sollte mich fuer den
Unwi
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