ung, welche nicht durch die
Erzaehlung des Dichters, sondern (durch Vorstellung der Handlung selbst)
uns, vermittelst des Schreckens und Mitleids, von den Fehlern der
vorgestellten Leidenschaften reiniget". Oh, sehr recht! Beide sagen, was
Aristoteles sagen will, nur dass sie es nicht so sagen, wie er es sagt.
Gleichwohl ist auch an diesem Wie gelegen; denn es ist wirklich keine
bloss vernachlaessigte Wortfuegung. Kurz, die Sache ist diese: Aristoteles
bemerkte, dass das Mitleid notwendig ein vorhandenes Uebel erfodere; dass
wir laengst vergangene oder fern in der Zukunft bevorstehende Uebel
entweder gar nicht oder doch bei weitem nicht so stark bemitleiden
koennen, als ein anwesendes; dass es folglich notwendig sei, die Handlung,
durch welche wir Mitleid erregen wollen, nicht als vergangen, das ist,
nicht in der erzaehlenden Form, sondern als gegenwaertig, das ist, in der
dramatischen Form, nachzuahmen. Und nur dieses, dass unser Mitleid durch
die Erzaehlung wenig oder gar nicht, sondern fast einzig und allein durch
die gegenwaertige Anschauung erreget wird, nur dieses berechtigte ihn, in
der Erklaerung anstatt der Form der Sache die Sache gleich selbst zu
setzen, weil diese Sache nur dieser einzigen Form faehig ist. Haette er es
fuer moeglich gehalten, dass unser Mitleid auch durch die Erzaehlung erreget
werden koenne: so wuerde es allerdings ein sehr fehlerhafter Sprung gewesen
sein, wenn er gesagt haette, "nicht durch die Erzaehlung, sondern durch
Mitleid und Furcht". Da er aber ueberzeugt war, dass Mitleid und Furcht in
der Nachahmung nur durch die einzige dramatische Form zu erregen sei: so
konnte er sich diesen Sprung, der Kuerze wegen, erlauben.--Ich verweise
desfalls auf das naemliche achte Kapitel des zweiten Buchs seiner
Rhetorik.[1]
Was endlich den moralischen Endzweck anbelangt, welchen Aristoteles der
Tragoedie gibt, und den er mit in die Erklaerung derselben bringen zu
muessen glaubte: so ist bekannt, wie sehr, besonders in den neuern Zeiten,
darueber gestritten worden. Ich getraue mich aber zu erweisen, dass alle,
die sich dawider erklaert, den Aristoteles nicht verstanden haben. Sie
haben ihm alle ihre eigene Gedanken untergeschoben, ehe sie gewiss wussten,
welches seine waeren. Sie bestreiten Grillen, die sie selbst gefangen, und
bilden sich ein, wie unwidersprechlich sie den Philosophen widerlegen,
indem sie ihr eigenes Hirngespinste zuschanden machen. Ich kann mich in
die naehere Eroerterung dieser S
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