ur nicht an der rechten Stelle! Denn was sagt das wider
den Aristoteles? Nichts. Aristoteles denkt an dieses Schrecken nicht,
wenn er von der Furcht redet, in die uns nur das Unglueck unsersgleichen
setzen koenne. Dieses Schrecken, welches uns bei der ploetzlichen
Erblickung eines Leidens befaellt, das einem andern bevorstehet, ist ein
mitleidiges Schrecken und also schon unter dem Mitleide begriffen.
Aristoteles wuerde nicht sagen, Mitleiden und Furcht; wenn er unter der
Furcht weiter nichts als eine blosse Modifikation des Mitleids verstuende.
"Das Mitleid", sagt der Verfasser der Briefe ueber die Empfindungen,[3]
"ist eine vermischte Empfindung, die aus der Liebe zu einem Gegenstande,
und aus der Unlust ueber dessen Unglueck zusammengesetzt ist. Die
Bewegungen, durch welche sich das Mitleid zu erkennen gibt, sind von den
einfachen Symptomen der Liebe, sowohl als der Unlust, unterschieden,
denn das Mitleid ist eine Erscheinung. Aber wie vielerlei kann diese
Erscheinung werden! Man aendre nur in dem bedauerten Unglueck die einzige
Bestimmung der Zeit: so wird sich das Mitleiden durch ganz andere
Kennzeichen zu erkennen geben. Mit der Elektra, die ueber die Urne ihres
Bruders weinet, empfinden wir ein mitleidiges Trauern, denn sie haelt das
Unglueck fuer geschehen und bejammert ihren gehabten Verlust. Was wir bei
den Schmerzen des Philoktets fuehlen, ist gleichfalls Mitleiden, aber
von einer etwas andern Natur; denn die Qual, die dieser Tugendhafte
auszustehen hat, ist gegenwaertig und ueberfaellt ihn vor unsern Augen.
Wenn aber Oedip sich entsetzt, indem das grosse Geheimnis sich ploetzlich
entwickelt; wenn Monime erschrickt, als sie den eifersuechtigen Mithridates
sich entfaerben sieht; wenn die tugendhafte Desdemona sich fuerchtet, da
sie ihren sonst zaertlichen Othello so drohend mit ihr reden hoeret: was
empfinden wir da? Immer noch Mitleiden! Aber mitleidiges Entsetzen,
mitleidige Furcht, mitleidiges Schrecken. Die Bewegungen sind verschieden,
allein das Wesen der Empfindungen ist in allen diesen Faellen einerlei.
Denn, da jede Liebe mit der Bereitwilligkeit verbunden ist, uns an die
Stelle des Geliebten zu setzen: so muessen wir alle Arten von Leiden mit
der geliebten Person teilen, welches man sehr nachdruecklich Mitleiden
nennet. Warum sollten also nicht auch Furcht, Schrecken, Zorn, Eifersucht,
Rachbegier, und ueberhaupt alle Arten von unangenehmen Empfindungen, sogar
den Neid nicht ausgenommen, aus Mitleiden e
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