ungen spricht, die sich in die
Tragoedie nicht schicken, so bedient er sich mehrmalen des Ausdrucks von
ihnen, dass sie weder Mitleid noch Furcht erwecken. Aber desto schlimmer,
wenn sich Corneille durch dieses weder noch verfuehren lassen. Diese
disjunktive Partikeln involvieren nicht immer, was er sie involvieren
laesst. Denn wenn wir zwei oder mehrere Dinge von einer Sache durch sie
verneinen, so koemmt es darauf an, ob sich diese Dinge ebensowohl in der
Natur voneinander trennen lassen, als wir sie in der Abstraktion und
durch den symbolischen Ausdruck trennen koennen, wenn die Sache
demohngeachtet noch bestehen soll, ob ihr schon das eine oder das andere
von diesen Dingen fehlt. Wenn wir z.E. von einem Frauenzimmer sagen, sie
sei weder schoen noch witzig: so wollen wir allerdings sagen, wir wuerden
zufrieden sein, wenn sie auch nur eines von beiden waere; denn Witz und
Schoenheit lassen sich nicht bloss in Gedanken trennen, sondern sie sind
wirklich getrennet. Aber wenn wir sagen: "dieser Mensch glaubt weder
Himmel noch Hoelle", wollen wir damit auch sagen: dass wir zufrieden sein
wuerden, wenn er nur eines von beiden glaubte, wenn er nur den Himmel und
keine Hoelle, oder nur die Hoelle und keinen Himmel glaubte? Gewiss nicht:
denn wer das eine glaubt, muss notwendig auch das andere glauben; Himmel
und Hoelle, Strafe und Belohnung sind relativ; wenn das eine ist, ist auch
das andere. Oder, um mein Exempel aus einer verwandten Kunst zu nehmen;
wenn wir sagen, dieses Gemaelde taugt nichts, denn es hat weder Zeichnung
noch Kolorit: wollen wir damit sagen, dass ein gutes Gemaelde sich mit
einem von beiden begnuegen koenne?--Das ist so klar!
Allein, wie, wenn die Erklaerung, welche Aristoteles von dem Mitleiden
gibt, falsch waere? Wie, wenn wir auch mit Uebeln und Ungluecksfaellen
Mitleid fuehlen koennten, die wir fuer uns selbst auf keine Weise zu
besorgen haben?
Es ist wahr: es braucht unserer Furcht nicht, um Unlust ueber das
physikalische Uebel eines Gegenstandes zu empfinden, den wir lieben. Diese
Unlust entstehet bloss aus der Vorstellung der Unvollkommenheit, so wie
unsere Liebe aus der Vorstellung der Vollkommenheiten desselben; und aus
dem Zusammenflusse dieser Lust und Unlust entspringet die vermischte
Empfindung, welche wir Mitleid nennen.
Jedoch auch sonach glaube ich nicht, die Sache des Aristoteles notwendig
aufgeben zu muessen.
Denn wenn wir auch schon, ohne Furcht fuer uns selbst, Mitleid fuer and
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