s vor mehr als 200 Jahren stattfand. Die Pfeiler
haben dem Zahne der Zeit gut widerstanden, allein die Bogen werden bald
von der wuethenden Flut hinweggerissen werden, da der Reb in der Regenzeit
grosse Massen von Schlamm mit sich fuehrt, immer mehr sein Bett erhoeht und
so der Wassermenge nur ein geringer Ausweg bleibt. Der Reb, welchen ich im
April vollkommen ausgetrocknet sah, ist zwei Monate spaeter ein praechtiger
Strom, groesser als die Seine bei Paris. Die Abessinier, obwol sie
vortreffliche Schwimmer sind, hueten sich dann, ihn zu passiren, da sie
fuerchten, dass gewisse Wassergeister sie in den Abgrund ziehen koennten.
Unter den Pflanzen, die ich in dieser Ebene bemerkte, nenne ich die schoene
_Methonica superba_, welche von den Abessiniern Marienkelch genannt wird.
Sie gehoert zu den Lilien und gleicht in ihrer Farbenpracht einer Flamme im
dunklen Laubgruen.
Die Nacht brachten wir in einem Dorfe in der Naehe der Bruecke zu; am Morgen
brachen wir dann nach Debra Tabor auf. Rechts von uns blieb ein einzelner,
steiler und kahler Felsen, Amora Gedel, d. h. Geierfelsen, liegen, dessen
Spitze ganz mit Raubvoegeln bedeckt ist. Durch einen malerischen Schlund
und sumpfige Wiesen fuehrt ein Fusspfad zu dem Plateau von Debra Tabor
hinauf. Als wir oben angelangt waren, blieben wir vor Verwunderung stehen.
Vor uns lag ein leicht wellenfoermiges Land, dicht besaeet mit Doerfern,
zwischen lachenden Kulturflaechen und Weiden, auf denen zahlloses Vieh sich
befand. Als Franzose wurde ich an die Bourgogne erinnert, waehrend Dufton
eine Landschaft Yorkshire's vor sich zu sehen glaubte, und unwillkuerlich
rief ich aus: "Hier ist gut Huetten bauen!" Rechts von uns blieb der Huegel
von _Debra Tabor_ mit seinen 500 oder 600 Haeusern und dem koeniglichen
Lager liegen. Denn Theodor II. hat hier grosse Getreidemagazine errichtet,
die seine Armee in Kriegszeiten, d. h. so ziemlich immer, zu versorgen
haben. Gondar, "die Stadt der Pfaffen und Schauspieler", wie der Koenig
sich ausdrueckt, ist ihm zuwider. Endlich erreichte ich den Huegel von
_Gafat_, nordoestlich von Debra Tabor, das provisorische Ziel meiner Reise.
Der deutsche Missionaer Waldmeier, an den ich empfohlen war, nahm mich sehr
freundlich auf; auch seine Kollegen, fast lauter Badenser und
Wuerttemberger kamen herbei. Der einzige Franzose der kleinen Kolonie,
Franz Bourgaud aus Saint-Etienne, ist der Waffenschmied des Negus und bei
diesem sehr beliebt. Er giebt vor, sich recht
|