elernt und will sie nun
auch vergessen koennen. Du hast Recht gehabt, mein Vater, der Stolz
giebt die Kraft, sich aus dem Bann leidenden Jammers zu erheben und im
Gefuehl der eigenen Wuerde die Niedrigkeit und Schlechtigkeit derer zu
vergessen, die unser Herz mit Fuessen traten. Ich habe ein Jahr meines
Lebens verloren--das ist Alles," sagte sie bitter und hart, "vielleicht
habe ich dabei gewonnen, denn ich habe die Menschen verachten und die
eigene Kraft schaetzen gelernt. Nimm mich hin, mein Vater, es ist Alles,
wie es frueher war, Deine Tochter gehoert wieder Dir und Dir ganz allein."
Sie schlang ihre Arme um die Schultern ihres Vaters und liess ihren Kopf
an seine Brust sinken. Ein leises Zittern flog durch ihre Gestalt wie
eine letzte Regung des tief schneidenden Schmerzes, der so lange ihr
innerstes Wesen erschuettert hatte.
Dann aber hob sie den Kopf empor und blickte ihren Vater fest an, wie um
zu zeigen, dass ihre Kraft groesser sei, als ihr Schmerz. Ihre Gesichtszuege
waren ruhig und unbeweglich, ihre Augen klar und trocken.
Ihr Vater schuettelte langsam und schmerzlich den Kopf.
"Ich freue mich," sagte er, "dass Du die eigene Kraft kennen und schaetzen
gelernt hast, aber nicht so darfst Du in Dein kuenftiges Leben gehen, Du
darfst die Menschen nicht verachten, weil Einer sich Dir niedrig gezeigt
hat, weil Einer unwuerdig gegen Dich gehandelt. Auch diese Wunde wird
heilen, mein Kind, wie so Vieles heilt in der geschaffenen Natur--Du
wirst auch das Vertrauen zu den Menschen wieder finden, Du wirst Dich
dem Leben und seinen reichen Gaben nicht verschliessen. Du bist noch so
jung und es wird die Zeit kommen, wo Alles, was Du jetzt gelitten, wie
ein ferner Traum verklungen sein wird. Vergiss auch nicht," fuegte er
hinzu, "dass Derjenige, der Dich unwuerdig verlassen, kein Sohn Deines
edlen Vaterlandes war. Vielleicht ist es ein Glueck, dass es so kam, fuer
das Leid, das der Fremde Dir zugefuegt, wird, so Gott will, Frankreich
Dir Ersatz bieten."
Luise trat einen Schritt von ihrem Vater zurueck, hoch richtete sie sich
empor und sprach stolzen, flammenden Blickes.
"Glaube nicht, mein Vater, dass ich mit dem Leben abschliessen will,
glaube nicht, dass ich etwa daran denke, in kloesterlicher Einsamkeit den
Unwuerdigen zu beweinen, der mein liebevolles Vertrauen getaeuscht hat.
Nein, ich werde frei und muthig, aber auch klar und kalt in das Leben
treten, ich werde alle seine Pflichten erfuellen,--aber mein H
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