ie
man ihn der Welt wiedergeben kann. Wir moegen ueber die Torheit des
Gespensterglaubens an ihn hin predigen, so lange wir wollen, er gibt
uns Recht, und in der Nacht sieht er dennoch wieder sein Phantom.
Nein, man muss ihm auf ganz anderem Wege beikommen. Sie, Ida, Sie
muessen in der Stunde der Mitternacht zu ihm an den Altar gehen, bei
ihm bleiben in den Augenblicken der Angst, und ich stehe dafuer, er
wird so viel an Sie denken, dass das Bild seiner Phantasie
verschwindet." Ida straeubte sich vor diesem Hilfsmittel mit
maedchenhafter Scheu. Sie gab dem Hofrat zu bedenken, dass das sich
aufbringen heisse, was die Welt dazu sagen werde, wenn sie einem
landfremden Menschen in die Kirche nachlaufe, und dies und jenes--
aber der Hofrat, der das Maedchen von seiner Kindheit an kannte, sah
tiefer. Er sah, wie sich in ihr zwar das Maedchenhafte gegen das
Unschickliche, das nach den Begriffen der Welt darin liegen koenne,
straeube, dass aber das Edle und Grosse, das sie, nur von wenigen
gekannt, tief in der stolzen, jungfraeulichen Brust verschloss, schon
jetzt diesen Rettungsgedanken mit Waerme ergriffen haben muesse; denn
in ihrem Auge sah er jenes stille Feuer ernsten Nachdenkens, ihre
Brust hob sich stolzer, wie wenn sie eines grossen Entschlusses
maechtig geworden waere. Er troestete sie ueber den Gedanken, was die
Welt sagen wuerde; unerkannt wolle er sie in der dunklen Nacht in die
Kirche fuehren,--"und landfremd," fuhr er mit schalkhaftem Laecheln
fort, "landfremd nennen Sie diesen Menschen? Mir wenigstens ist es in
den vierzehn Tagen geworden, wie wenn ich ihn lange, lange gekannt
haette; und wer war es denn, der in jener Ballnacht, als wir den
landfremden Menschen zum allererstenmal sahen, sagte: ich _moechte
hingehen und fragen, warum bist du nicht froehlich mit den Froehlichen?
Sage mir deinen Kummer, ob ich nicht helfen kann_!"--Es ist etwas
im weiblichen Herzen, das sie in einzelnen Momenten so hoch erhebt,
dass sie Entschluesse fassen und ausfuehren, wovor ein Mann vielleicht
sich gescheut haette. Auch Idas Herz war nicht unempfaenglich fuer
solche grosse Entschluesse, die der kaeltere Beobachter mit Unrecht
Schwaermerei nennt; sie lehnte sich an die Brust des alten Freundes
und lispelte mit geschlossenen Augen kaum hoerbar, aber fest
entschlossen: "Ich will es tun, denn ich fuehle es: _der Zug des
Herzens ist des Schicksals Stimme!_"
ZWEITER TEIL.
DIE HEILUNG
Es war vierundvierzig Minu
|