die Tochter
einer verarmt verstorbenen Schwester, zu sich genommen, ein
zweiundzwanzigjaehriges, schwaechliches, etwas verwachsenes Maedchen, das
erkenntlichen Charakters die Fuersorge der Tante durch hingebende
Pflichttreue vergalt. Therese war sehr geschickt im Schneidern und
erlebte die Genugthuung, dass neuerdings auch einzelne Damen der
Nachbarschaft ihre einfachere Garderobe, Haus- und Morgenroecke, von ihr
anfertigen liessen.
Die Wittfoth selbst verstand nichts von diesem Zweig ihres Geschaeftes,
und besorgte lediglich den Laden und die Wirtschaft, wobei sie von einem
zweiten jungen Maedchen unterstuetzt wurde.
Die achtzehnjaehrige bluehende Blondine mit den grossen grauen, blitzenden
Augen wusste ihre Prinzipalin gut zu nehmen. Anstellig und gewandt, war
sie mit Erfolg bestrebt, sich der Wittfoth unentbehrlich zu machen und
sie durch kluges, einschmeichelndes Eingehen auf ihre Schwaechen und
Eigenheiten zu gewinnen. Auch die Kunden fesselte das huebsche Maedchen
durch sein gefaelliges, entgegenkommendes Wesen.
Mit der stillen, freundlichen Nichte ihrer Herrin hatte Mimi Kruse eine
waermere Freundschaft geschlossen. Von Natur gutmuetig, fuehlte sie Mitleid
mit der kraenklichen, in einer freudlosen Jugend Verkuemmerten, und diese
empfand das frische, immer gleich heitere Wesen Mimis als belebenden
Sonnenstrahl in dem Einerlei ihres zum Verzicht auf jede lautere
Lebensfreude verurteilten Daseins.
So lebten die drei Frauenspersonen wie in Familienzusammengehoerigkeit.
Oft kam ein Neffe der Witwe zum Besuch, Hermann Heinecke, ein
Volksschullehrer. Der junge Mann war der Sohn ihres Stiefbruders, der im
Mecklenburgischen eine kleine Landstelle besass.
Hermann verkehrte gerne bei der Tante, der jungen Maedchen wegen. Der
verwandtschaftlichen Freundschaft fuer Therese gesellte sich eine
aufrichtige Wertschaetzung ihres sanften, geduldigen Wesens und ihres
feineren, tieferen Seelenlebens. Doch die Ergebenheit, die er seiner
Cousine entgegenbrachte, hinderte ihn nicht, der huebschen Verkaeuferin
seiner Tante gleichzeitig ein warmes Interesse zu schenken.
Mimi hatte keinen gluehenderen Verehrer, als Hermann Heinecke. Sie wusste
das und verwandte alle kleinen Kuenste der Koketterie, um ihn an sich zu
fesseln.
Das gutmuetige, etwas fade, von einem duennen blonden Bart umrahmte
Gesicht des jungen Mannes war eigentlich nicht "ihre Nummer", wie sie zu
sagen pflegte. Ihre Schwaermerei waren die Schwarzen, Kraushaar
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