selben in einem und
ebendemselben Werke zusammenfliessen laesst, so vergesse man das Lehrbuch
und untersuche bloss, ob es diese hoehere Absichten erreicht hat. Was geht
mich es an, ob so ein Stueck des Euripides weder ganz Erzaehlung, noch ganz
Drama ist? Nennt es immerhin einen Zwitter; genug, dass mich dieser
Zwitter mehr vergnuegt, mehr erbauet, als die gesetzmaessigsten Geburten
eurer korrekten Racinen, oder wie sie sonst heissen. Weil der Maulesel
weder Pferd noch Esel ist, ist er darum weniger eines von den nutzbarsten
lasttragenden Tieren?--
----Fussnote
[1] In seiner dramatischen Dichtkunst, hinter dem Hausvater, S. 327 die
Uebers.
[2] "Pratique du Theatre", Liv. III. chap. 1.
----Fussnote
Neunundvierzigstes Stueck
Den 16. Oktober 1767
Mit einem Worte; wo die Tadler des Euripides nichts als den Dichter zu
sehen glauben, der sich aus Unvermoegen, oder aus Gemaechlichkeit, oder aus
beiden Ursachen, seine Arbeit so leicht machte, als moeglich; wo sie die
dramatische Kunst in ihrer Wiege zu finden vermeinen: da glaube ich diese
in ihrer Vollkommenheit zu sehen, und bewundere in jenem den Meister, der
im Grunde ebenso regelmaessig ist, als sie ihn zu sein verlangen, und es
nur dadurch weniger zu sein scheinet, weil er seinen Stuecken eine
Schoenheit mehr erteilen wollen, von der sie keinen Begriff haben.
Denn es ist klar, dass alle die Stuecke, deren Prologe ihnen so viel
Aergernis machen, auch ohne diese Prologe vollkommen ganz, und vollkommen
verstaendlich sind. Streichet z.E. vor dem "Ion" den Prolog des Merkurs,
vor der "Hekuba" den Prolog des Polydors weg; lasst jenen sogleich mit der
Morgenandacht des Ion und diese mit den Klagen der Hekuba anfangen: sind
beide darum im geringsten verstuemmelt? Woher wuerdet ihr, was ihr
weggestrichen habt, vermissen, wenn es gar nicht da waere? Behaelt nicht
alles den naemlichen Gang, den naemlichen Zusammenhang? Bekennet sogar, dass
die Stuecke, nach eurer Art zu denken, desto schoener sein wuerden, wenn wir
aus den Prologen nicht wuessten, dass der Ion, welchen Kreusa will vergiften
lassen, der Sohn dieser Kreusa ist; dass die Kreusa, welche Ion von dem
Altar zu einem schmaehlichen Tode reissen will, die Mutter dieses Ion ist;
wenn wir nicht wuessten, dass an eben dem Tage, da Hekuba ihre Tochter zum
Opfer hingeben muss, die alte unglueckliche Frau auch den Tod ihres letzten
einzigen Sohnes erfahren solle. Denn alles dieses wuerde die trefflichsten
Ue
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