ziehen kann!--
Auch Voltaire scheinet es empfunden zu haben, dass es gut sein wuerde, wenn
er uns mit dem Sohn der Merope gleich anfangs bekannt machte; wenn er uns
mit der Ueberzeugung, dass der liebenswuerdige unglueckliche Juengling, den
Merope erst in Schutz nimmt, und den sie bald darauf als den Moerder ihres
Aegisth hinrichten will, der naemliche Aegisth sei, sofort koenne aussetzen
lassen. Aber der Juengling kennt sich selbst nicht; auch ist sonst niemand
da, der ihn besser kennte, und durch den wir ihn koennten kennen lernen.
Was tut also der Dichter? Wie faengt er es an, dass wir es gewiss wissen,
Merope erhebe den Dolch gegen ihren eignen Sohn, noch ehe es ihr der alte
Narbas zuruft?--Oh, das faengt er sehr sinnreich an! Auf so einen
Kunstgriff konnte sich nur ein Voltaire besinnen!--Er laesst, sobald der
unbekannte Juengling auftritt, ueber das erste, was er sagt, mit grossen,
schoenen, leserlichen Buchstaben den ganzen, vollen Namen "Aegisth"
setzen; und so weiter ueber jede seiner folgenden Reden. Nun wissen wir
es; Merope hat in dem Vorhergehenden ihren Sohn schon mehr wie einmal bei
diesem Namen genannt; und wenn sie das auch nicht getan haette, so duerften
wir ja nur das vorgedruckte Verzeichnis der Personen nachsehen; da steht
es lang und breit! Freilich ist es ein wenig laecherlich, wenn die Person,
ueber deren Reden wir nun schon zehnmal den Namen "Aegisth" gelesen haben,
auf die Frage:
--Narbas vous est connu?
Le nom d'Egiste au moins jusqu'a vous est venu?
Quel etait votre etat, votre rang, votre pere?
antwortet:
Mon pere est un vieillard accable de misere;
Policlete est son nom; mais Egiste, Narbas,
Ceux dont vous me parlez, je ne les connais pas.
Freilich ist es sehr sonderbar, dass wir von diesem Aegisth, der nicht
Aegisth heisst, auch keinen andern Namen hoeren; dass, da er der Koenigin
antwortet, sein Vater heisse Polyklet, er nicht auch hinzusetzt, er heisse
so und so. Denn einen Namen muss er doch haben; und den haette der Herr von
Voltaire ja wohl schon mit erfinden koennen, da er so viel erfunden hat!
Leser, die den Rummel einer Tragoedie nicht recht gut verstehen, koennen
leicht darueber irre werden. Sie lesen, dass hier ein Bursche gebracht
wird, der auf der Landstrasse einen Mord begangen hat; dieser Bursche,
sehen sie, heisst Aegisth, aber er sagt, er heisse nicht so, und sagt doch
auch nicht, wie er heisse: oh, mit dem Burschen, schliessen sie, ist es
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