des Stuecks vorhergegangen, durch eine von seinen
Hauptpersonen den Zuhoerern geradezu erzaehlen laesst, um ihnen auf diese
Weise das Folgende verstaendlich zu machen: er nimmt auch wohl oefters
einen Gott dazu, von dem wir annehmen muessen, dass er alles weiss, und
durch den er nicht allein was geschehen ist, sondern auch alles, was noch
geschehen soll, uns kundmacht. Wir erfahren sonach gleich anfangs die
Entwicklung und die ganze Katastrophe und sehen jeden Zufall schon von
weiten kommen. Dieses aber ist ein sehr merklicher Fehler, welcher der
Ungewissheit und Erwartung, die auf dem Theater bestaendig herrschen
sollen, gaenzlich zuwider ist und alle Annehmlichkeiten des Stueckes
vernichtet, die fast einzig und allein auf der Neuheit und Ueberraschung
beruhen."[2] Nein. der tragischste von allen tragischen Dichtern dachte
so geringschaetzig von seiner Kunst nicht; er wusste, dass sie einer weit
hoehern Vollkommenheit faehig waere, und dass die Ergoetzung einer kindischen
Neugierde das Geringste sei, worauf sie Anspruch mache. Er liess seine
Zuhoerer also, ohne Bedenken, von der bevorstehenden Handlung ebensoviel
wissen, als nur immer ein Gott davon wissen konnte; und versprach sich
die Ruehrung, die er hervorbringen wollte, nicht sowohl von dem, was
geschehen sollte, als von der Art, wie es geschehen sollte. Folglich
muesste den Kunstrichtern hier eigentlich weiter nichts anstoessig sein, als
nur dieses, dass er uns die noetige Kenntnis des Vergangnen und des
Zukuenftigen nicht durch einen feinern Kunstgriff beizubringen gesucht;
dass er ein hoeheres Wesen, welches wohl noch dazu an der Handlung keinen
Anteil nimmt, dazu gebrauchet und dass er dieses hoehere Wesen sich
geradezu an die Zuschauer wenden lassen, wodurch die dramatische Gattung
mit der erzaehlenden vermischt werde. Wenn sie aber ihren Tadel sodann
bloss hierauf einschraenkten, was waere denn ihr Tadel? Ist uns das
Nuetzliche und Notwendige niemals willkommen, als wenn es uns
verstohlnerweise zugeschanzt wird? Gibt es nicht Dinge, besonders in der
Zukunft, die durchaus niemand anders als ein Gott wissen kann? Und wenn
das Interesse auf solchen Dingen beruht, ist es nicht besser, dass wir sie
durch die Darzwischenkunft eines Gottes vorher erfahren, als gar nicht?
Was will man endlich mit der Vermischung der Gattungen ueberhaupt? In den
Lehrbuechern sondre man sie so genau voneinander ab, als moeglich: aber
wenn ein Genie, hoeherer Absichten wegen, mehrere der
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