r obere Theil der Brust frei.
Das Hemd ist so geschnitten, dass Vorderstueck und Rueckenstueck durch zwei
schmale Baender auf der Schulter zusammenhaengen. Es kam vor, dass wir
Eingeborenen ausserhalb der Mission begegneten, die, namentlich bei
Regenwetter, ihr Hemd ausgezogen hatten und es aufgerollt unter dem Arm
trugen. Sie wollten sich lieber auf den blossen Leib regnen, als ihre
Kleider nass werden lassen. Die aeltesten Weiber versteckten sich dabei
hinter die Baeume und schlugen ein lautes Gelaechter auf, wenn wir an ihnen
vorueber kamen. Die Missionaere klagen meist, dass Schaam und Gefuehl fuer das
Anstaendige bei den jungen Maedchen nicht viel entwickelter seyen als bei
den Maennern. Schon Ferdinand Columbus erzaehlt, sein Vater habe im Jahr
1498 auf der Insel Trinidad voellig nackte Weiber angetroffen, waehrend die
Maenner den _'Guayuco'_ trugen, der vielmehr eine schmale Binde ist als
eine Schuerze. Zur selben Zeit unterschieden sich auf der Kueste von Paria
die Maedchen von den verheiratheten Weibern dadurch, dass sie, wie Cardinal
Bembo behauptet, ganz nackt gingen, oder, nach Gomara, dadurch, dass sie
einen anders gefaerbten Guayuco trugen. Diese Binde, die wir noch bei den
Chaymas und allen nackten Voelkerschaften am Orinoco angetroffen, ist nur
zwei bis drei Zoll breit und wird mit beiden Enden an einer Schnur
befestigt, die mitten um den Leib gebunden ist. Die Maedchen heirathen
haeufig mit zwoelf Jahren; bis zum neunten gestatten ihnen die Missionaere,
nackt, das heisst ohne Hemd, zur Kirche zu kommen. Ich brauche hier nicht
daran zu erinnern, dass bei den Chaymas, wie in allen spanischen Missionen
und indianischen Doerfern, die ich besucht, Beinkleider, Schuhe und Hut
Luxusartikel sind, von denen die Eingeborenen nichts wissen. Ein Diener,
der uns auf der Reise nach Charipe und an den Orinoco begleitet und den
ich mit nach Frankreich gebracht, konnte sich, nachdem wir ans Land
gestiegen, nicht genug verwundern, als er einen Bauern mit dem Hut auf dem
Kopf ackern sah, und er glaubte "in einem armseligen Lande zu seyn, wo
sogar die Edelleute (_los mismos caballeros_) hinter dem Pfluge gehen."
Die Weiber der Chaymas sind nach unsern Schoenheitsbegriffen nicht huebsch;
indessen haben die jungen Maedchen etwas Sanftes und Wehmuethiges im Blick,
das von dem ein wenig harten und wilden Ausdruck des Mundes angenehm
absticht. Die Haare tragen sie in zwei lange Zoepfe geflochten. Die Haut
bemalen sie sich nicht
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