raegheit und nebenbei auch jene schlaue Hoeflichkeit, die
auch dem rohesten Indianer nicht ganz fremd ist, liess sie nicht selten
ihren Antworten die Wendung geben, auf die unsere Fragen zu deuten
schienen. Wenn sich Reisende auf die Aussagen von Eingeborenen berufen
wollen, koennen sie vor diesem gefaelligen Jasagen sich nicht genug in Acht
nehmen. Ich wollte einmal einen indianischen Alcalden auf die Probe
stellen und fragte ihn, ob er nicht meine, der Bach Caripe, der aus der
Hoehle des Guacharo herauskommt, laufe aus der andern Seite den Berg heraus
und durch eine unbekannte Oeffnung herein. Er schien sich eine Weile zu
besinnen und sagte dann zur Unterstuetzung meiner Annahme: "Freilich, wie
waere auch sonst vorne in der Hoehle immer Wasser im Bett?"
Alle Zahlenverhaeltnisse fassen die Chaymas ausserordentlich schwer. Ich
habe nicht Einen gesehen, den man nicht sagen lassen konnte, er sey
achtzehn oder aber sechzig Jahre alt. Marsden hat dieselbe Beobachtung an
den Malaien auf Sumatra gemacht, die doch seit mehr als fuenfhundert Jahren
civilisirt sind. Die Chaymassprache hat Worte, die ziemlich grosse Zahlen
ausdruecken, aber wenige Indianer wissen damit umzugehen, und da sie im
Verkehr mit den Missionaeren dazu genoethigt sind, so zaehlen die faehigsten
spanisch, aber so, dass man ihnen die geistige Anstrengung ansieht, bis auf
30 oder 50. In der Chaymassprache zaehlen dieselben Menschen nicht ueber 5
oder 6. Es ist natuerlich, dass sie sich vorzugsweise der Worte einer
Sprache bedienen, in der sie die Reihen der Einer und der Zehner kennen
gelernt haben. Seit die europaeischen Gelehrten es der Muehe werth halten,
den Bau der amerikanischen Sprachen zu studiren, wie man den Bau der
semitischen Sprachen, des Griechischen und des Lateinischen studirt,
schreibt man nicht mehr der Mangelhaftigkeit der Sprachen zu, was nur aus
Rechnung der Rohheit der Voelker kommt. Man erkennt an, dass fast ueberall
die Mundarten reicher sind und feinere Wendungen aufzuweisen haben, als
man nach der Culturlosigkeit der Voelker, die sie sprechen, vermuthen
sollte. Ich bin weit entfernt, die Sprachen der neuen Welt den schoensten
Sprachen Asiens und Europas gleichstellen zu wollen; aber keine von diesen
hat ein klareres, regelmaessigeres und einfacheres Zahlsystem als das
Oquichua und das Aztekische, die in den grossen Reichen Couzco und Anahuac
gesprochen wurden. Duerfte man nun sagen, in diesen Sprachen zaehle man
nicht ueber vier, wei
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