der erwaehnten Aehnlichkeiten glauben wir nicht, dass das Chaymas als
ein Dialekt des Tamanacu zu betrachten ist, wie die drei Dialekte Maitano,
Cuchivero und Crataima. Der Abweichungen sind viele und wesentliche, und
die beiden Sprachen scheinen mir hoechstens in dem Grade verwandt, wie das
Deutsche, Schwedische und Englische. Sie gehoeren derselben Unterabtheilung
der grossen Familie der tamanakischen, caraibischen und arouakischen
Sprachen an. Da es fuer die Sprachverwandtschaft kein absolutes Maass gibt,
so lassen sich dergleichen Verwandtschaftsgrade nur durch von bekannten
Sprachen hergenommene Beispiele bezeichnen. Wir rechnen zur selben Familie
Sprachen, die einander so nahe stehen, wie Griechisch, Deutsch, Persisch
und Sanskrit.
Die sprachvergleichende Wissenschaft glaubte gefunden zu haben, dass alle
Sprachen in zwei grosse Classen zerfallen, indem die einen, mit
vollkommenerem Bau, freier, rascher in der Bewegung, eine innere
Entwicklung durch *Flexion* bezeichnen, waehrend die andern, plumperen,
weniger bildungsfaehigen, nur kleine *Formen* oder agglutinirte Partikeln
roh neben einander stellen, die alle, wenn man sie fuer sich braucht, ihre
eigenthuemliche Physiognomie beibehalten. Diese hoechst geistreiche
Auffassung waere unrichtia, wenn man annaehme, es gebe vielsylbige Sprachen
ohne alle Flexion, oder aber diejenigen, die sich wie von innen heraus
organisch entwickeln, kennen gar keinen aeusserlichen Zuwachs durch
*Suffixe* und *Affixe*, welchen Zuwachs wir schon oefters als Agglutination
oder Incorporation bezeichnet haben. Viele Formen, die wir jetzt fuer
Flexionen der Wurzel halten, waren vielleicht urspruenglich Affixe, von
denen nur ein oder zwei Consonanten uebrig geblieben sind. Es ist mit den
Sprachen wie mit allem Organischen in der Natur; nichts steht ganz fuer
sich, nichts ist dem Andern voellig unaehnlich. Je weiter man in ihren
innern Bau eindringt, desto mehr schwinden die Contraste, die auffallenden
Eigenthuemlichkeiten. "Es ist damit wie mit den Wolken, die nur von weitem
scharf umrissen scheinen." [Wilhelm v. Humboldt]
Lassen wir aber auch fuer die Sprachen keinen durchgreifenden
Eintheilungsgrund gelten, so ist doch vollkommen zuzugeben, dass im
gegenwaertigen Zustand die einen mehr Neigung haben zur Flexion, die andern
zur aeusserlichen Aggregation. Zu den ersteren gehoeren bekanntlich die
Sprachen des indischen, pelasgischen und germanischen Sprachstammes, zu
den letzteren die amer
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