ofe, bald nach dieser, bald nach einer andern Aussicht
muss gedacht werden. Nur haette er bei diesen Abwechselungen auch die
Vorsicht brauchen sollen, die Corneille dabei empfahl: sie muessen nicht
in dem naemlichen Akte, am wenigsten in der naemlichen Szene angebracht
werden. Der Ort, welcher zu Anfange des Akts ist, muss durch diesen ganzen
Akt dauern; und ihn vollends in ebenderselben Szene abaendern oder auch
nur erweitern oder verengern, ist die aeusserste Ungereimtheit von der
Welt.--Der dritte Akt der "Merope" mag auf einem freien Platze, unter
einem Saeulengange oder in einem Saale spielen, in dessen Vertiefung das
Grabmal des Kresphontes zu sehen, an welchem die Koenigin den Aegisth mit
eigener Hand hinrichten will: Was kann man sich armseliger vorstellen,
als dass, mitten in der vierten Szene, Eurikles, der den Aegisth
wegfuehret, diese Vertiefung hinter sich zuschliessen muss? Wie schliesst er
sie zu? Faellt ein Vorhang hinter ihm nieder? Wenn jemals auf einen
Vorhang das, was Hedelin von dergleichen Vorhaengen ueberhaupt sagt, gepasst
hat, so ist es auf diesen;[2] besonders wenn man zugleich die Ursache
erwaegt, warum Aegisth so ploetzlich abgefuehrt, durch diese Maschinerie so
augenblicklich aus dem Gesichte gebracht werden muss, von der ich hernach
reden will.--Ebenso ein Vorhang wird in dem fuenften Akte aufgezogen. Die
ersten sechs Szenen spielen in einem Saale des Palastes: und mit der
siebenten erhalten wir auf einmal die offene Aussicht in den Tempel, um
einen toten Koerper in einem blutigen Rocke sehen zu koennen. Durch welches
Wunder? Und war dieser Anblick dieses Wunders wohl wert? Man wird sagen,
die Tueren dieses Tempels oeffnen sich auf einmal, Merope bricht auf einmal
mit dem ganzen Volke heraus, und dadurch erlangen wir die Einsicht in
denselben. Ich verstehe; dieser Tempel war Ihro verwitweten Koeniglichen
Majestaet Schlosskapelle, die gerade an den Saal stiess und mit ihm
Kommunikation hatte, damit Allerhoechstdieselben jederzeit trocknes Fusses
zu dem Orte ihrer Andacht gelangen konnten. Nur sollten wir sie dieses
Weges nicht allein herauskommen, sondern auch hereingehen sehen;
wenigstens den Aegisth, der am Ende der vierten Szene zu laufen hat und
ja den kuerzesten Weg nehmen muss, wenn er, acht Zeilen darauf, seine Tat
schon vollbracht haben soll.
----Fussnote
[1] Dieses war zum Teil schon das Urteil unsers Schlegels. "Die Wahrheit
zu gestehen", sagt er in seinen Gedanken zur Aufnahme
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