twas anders. Aber dieses weiss sie nicht; vielmehr hat
sie allen Grund, zu glauben, dass er seiner Sache werde gewiss sein.--Es
versteht sich, dass ich das, was man zur Not entschuldigen kann, darum
nicht fuer schoen ausgebe; der Poet haette unstreitig seine Anlage viel
feiner machen koennen. Sondern ich will nur sagen, dass auch so, wie er sie
gemacht hat, Merope noch immer nicht ohne zureichenden Grund handelt; und
dass es gar wohl moeglich und wahrscheinlich ist, dass Merope in ihrem
Vorsatze der Rache verharren und bei der ersten Gelegenheit einen neuen
Versuch, sie zu vollziehen, wagen koennen. Worueber ich mich also
beleidiget finden moechte, waere nicht dieses, dass sie zum zweitenmale
ihren Sohn als den Moerder ihres Sohnes zu ermorden koemmt, sondern dieses,
dass sie zum zweitenmale durch einen gluecklichen ungefaehren Zufall daran
verhindert wird. Ich wuerde es dem Dichter verzeihen, wenn er Meropen auch
nicht eigentlich nach den Gruenden der groessern Wahrscheinlichkeit sich
bestimmen liesse; denn die Leidenschaft, in der sie ist, koennte auch den
Gruenden der schwaechern das Uebergewicht erteilen. Aber das kann ich ihm
nicht verzeihen, dass er sich so viel Freiheit mit dem Zufalle nimmt und
mit dem Wunderbaren desselben so verschwenderisch ist, als mit den
gemeinsten ordentlichsten Begebenheiten. Dass der Zufall einmal der Mutter
einen so frommen Dienst erweiset, das kann sein; wir wollen es umso viel
lieber glauben, je mehr uns die Ueberraschung gefaellt. Aber dass er zum
zweiten Male die naemliche Uebereilung auf die naemliche Weise verhindern
werde, das sieht dem Zufalle nicht aehnlich; ebendieselbe Ueberraschung
wiederholt, hoert auf, Ueberraschung zu sein; ihre Einfoermigkeit
beleidiget, und wir aergern uns ueber den Dichter, der zwar ebenso
abenteuerlich, aber nicht ebenso mannigfaltig zu sein weiss, als
der Zufall.
Von den augenscheinlichen und vorsaetzlichen Verfaelschungen des Lindelle
will ich nur zwei anfuehren.--"Der vierte Akt", sagt er, "faengt mit einer
kalten und unnoetigen Szene zwischen dem Tyrannen und der Vertrauten der
Merope an; hierauf begegnet diese Vertraute, ich weiss selbst nicht wie,
dem jungen Aegisth und beredet ihn, sich in dem Vorhause zur Ruhe zu
begeben, damit, wenn er eingeschlafen waere, ihn die Koenigin mit aller
Gemaechlichkeit umbringen koenne. Er schlaeft auch wirklich ein, so wie er
es versprochen hat. O schoen! und die Koenigin koemmt zum zweiten Male,
mit einer Axt
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