tig und von denjenigen des nordamerikanischen Urwalds durchaus
verschieden. Der physiognomische Unterschied zwischen dem tropischen und
dem nordamerikanischen Urwald ist theilweise durch die systematische
Zusammensetzung, noch mehr aber durch Eigenthuemlichkeiten der Structur und
Lebensweise bedingt, die sich bei Pflanzen aus verschiedenen Familien
wiederholen und demnach als Anpassungen an die aeusseren Bedingungen
aufzufassen sind.
Die Physiognomie des tropischen Urwalds ist in erster Linie durch den
Kampf um das Licht bedingt, dessen Einfluss in allen Pflanzenformen des
Urwalds zur Geltung kommt, in der ungeheuren Entwicklung des Laubs, in der
oft schirmartigen Verzweigung der Baume, in den tauartigen Lianen,
namentlich aber in den Epiphyten, die, den Boden ganz verlassend, auf dem
Gipfel der Baeume sich ansiedeln. Wahrend der Boden zwischen den
Baumstaemmen, den Lianen und Luftwurzeln oft beinahe keine Pflanzen tragt,
prangt ueber dem Laubdache eine ueppige und artenreiche Vegetation, die sich
der Baeume als Stuetze bedient hat, um an das Licht zu gelangen. Kein
Baumzweig wird versuchen, sein Laub im Lichte auszubreiten, ohne mit
seinen epiphytischen Bewohnern in Conflikt zu gerathen. Umsonst erheben
sich die Aeste uebereinander, streben immer mehr nach oben; sie werden bald
von Bromeliaceen, Araceen, Orchideen ueberwuchert oder gar von dem grauen
Schleier der Tillandsia usneoides ganz umhuellt. Nicht selten erliegt der
Wirthbaum, wenn seine Blaetter durch die Huelle der Tillandsia usneoides
nicht durchzudringen vermoegen oder seine Aeste durch die sie wie eiserne
Ringe umklammernden Luftwurzeln gleichsam erwuergt werden. Er stirbt und
vermodert, faellt aber selten auf den Boden, indem die Luftwurzeln gewisser
seiner Gaste (Clusia, Feigenbaeume etc.) um seinen Stamm einen vielfach
durchgitterten, aber festen Hohlcylinder bilden, der ihn aufrecht haelt und
den Epiphyten die gleichen Vortheile gewaehrt, wie der Stamm selbst.
Den antarktischen Urwald, der sich an der Westkueste vom 36 deg. s. B. bis nach
Feuerland zieht, kenne ich aus eigener Anschauung nicht. Er naehert sich in
seiner systematischen Zusammensetzung mehr dem nordamerikanischen als dem
tropischen Walde, traegt aber nicht viel weniger als der letztere das
Gepraege des Kampfes ums Licht. Lianen und Epiphyten bilden auch im
antarktischen Urwald einen hervortretenden Zug, ohne jedoch bei weitem
dieselbe Mannigfaltigkeit, wie im tropischen, zu erreichen.
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