wie der Hirte nach aeussern Merkmalen eine gute Milchkuh herausfindet. Kein
Botaniker kannte bis jetzt dieses Gewaechs, dessen Fructificationsorgane
man sich leicht wird verschaffen koennen. Nach Kunth scheint der Baum zu
der Familie der Sapoteen zu gehoeren. Erst lange nach meiner Rueckkehr nach
Europa fand ich in des Hollaenders Laet Beschreibung von Westindien eine
Stelle, die sich auf den Kuhbaum zu beziehen scheint. "In der Provinz
Cumana," sagt Laet, gibt es Baeume, deren Saft geronnener Milch gleicht und
ein *gesundes Nahrungsmittel* abgibt."
Ich gestehe, von den vielen merkwuerdigen Erscheinungen, die mir im Verlauf
meiner Reise zu Gesicht gekommen, haben wenige auf meine Einbildungskraft
einen staerkeren Eindruck gemacht als der Anblick des Kuhbaums. Alles was
sich auf die Milch oder auf die Getreidearten bezieht, hat ein Interesse
fuer uns, das sich nicht auf die physikalische Kenntniss der Gegenstaende
beschraenkt, sondern einem andern Kreise von Vorstellungen und Empfindungen
angehoert. Wir vermoegen uns kaum vorzustellen, wie das Menschengeschlecht
bestehen koennte ohne mehligte Stoffe, ohne den naehrenden Saft in der
Mutterbrust, der auf den langen Schwaechezustand des Kindes berechnet ist.
Das Staerkmehl des Getreides, das bei so vielen alten und neueren Voelkern
ein Gegenstand religioeser Verehrung ist, kommt in den Samen und den
Wurzeln der Gewaechse vor; die naehrende Milch dagegen erscheint uns als ein
ausschliessliches Produkt der thierischen Organisation. Diesen Eindruck
erhalten wir von Kindheit auf, und daher denn auch das Erstaunen, womit
wir den eben beschriebenen Baum betrachten. Was uns hier so gewaltig
ergreift, sind nicht prachtvolle Waelderschatten, majestaetisch
dahinziehende Stroeme, von ewigem Eis starrende Gebirge: ein paar Tropfen
Pflanzensaft fuehren uns die ganze Macht und Fuelle der Natur vor das innere
Auge. An der kahlen Felswand waechst ein Baum mit trockenen, lederartigen
Blaettern; seine dicken holzigten Wurzeln dringen kaum in das Gestein.
Mehrere Monate im Jahr netzt kein Regen sein Laub; die Zweige scheinen
vertrocknet, abgestorben; bohrt man aber den Stamm an, so fliesst eine
suesse, nahrhafte Milch heraus. Bei Sonnenaufgang stroemt die vegetabilische
Quelle am reichlichsten; dann kommen von allen Seiten die Schwarzen und
die Eingeborenen mit grossen Naepfen herbei und fangen die Milch auf, die
sofort an der Oberflaeche gelb und dick wird. Die einen trinken die Naepfe
unter
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