ie Quellen zu Tage brechen koennen. Die Steppen
Amerikas sind nicht so breit, nicht so gluehend heiss, sie werden von
herrlichen Stroemen befruchtet und sind so dem Verkehr der Voelker weit
weniger hinderlich. Die *Llanos* trennen die Kuestencordillere von Caracas
und die Anden von Neu-Grenada von der Waldregion, von jener Hylaea(71) des
Orinoco, die schon bei der Entdeckung Amerikas von Voelkern bewohnt war,
welche auf einer weit tieferen Stufe der Cultur standen, als die Bewohner
der Kuesten und vor allen des Gebirgslands der Cordilleren. Indessen waren
die Steppen einst so wenig eine Schutzmauer der Cultur, als sie
gegenwaertig fuer die in den Waeldern lebenden Horden eine Schutzmauer der
Freiheit sind. Sie haben die Voelker am untern Orinoco nicht abgehalten,
die kleinen Fluesse hinaufzufahren und nach Nord und West Einfaelle ins Land
zu machen. Haette es die mannigfaltige Verbreitung der Thiergeschlechter
ueber die Erde mit sich gebracht, dass das Hirtenleben in der neuen Welt
bestehen konnte; haetten vor der Ankunft der Spanier auf den Llanos und
Pampas so zahlreiche Heerden von Rindern und Pferden geweidet wie jetzt,
so waere Columbus das Menschengeschlecht hier in ganz anderer Verfassung
entgegengetreten. Hirten-Voelker, die von Milch und Kaese leben, wahre
Nomaden haetten diese weiten, mit einander zusammenhaengenden Ebenen
durchzogen. In der trockenen Jahreszeit und selbst zur Zeit der
Ueberschwemmungen haetten sie den Besitz der Weiden einander streitig
gemacht, sie haetten einander unterjocht, und vereint durch das gemeinsame
Band der Sitten, der Sprache und der Gottesverehrung, sich zu der Stufe
von Halbcultur erhoben, die uns bei den Voelkern mongolischen und
tartarischen Stammes ueberraschend entgegentritt. Dann haette Amerika,
gleich dem mittleren Asien, seine Eroberer gehabt, welche aus den Ebenen
zum Plateau der Cordilleren hinauf stiegen, dem umherschweifenden Leben
entsagten, die cultivirten Voelker von Peru und Neu-Grenada unterjochten,
den Thron der Incas und des Zaque(72) umstuerzten und an die Stelle des
Despotismus, wie er aus der Theokratie fliesst, den Despotismus setzten,
wie ihn das patriarchalische Regiment der Hirtenvoelker mit sich bringt.
Die Menschheit der neuen Welt hat diese grossen moralischen und politischen
Wechsel nicht durchgemacht, und zwar weil die Steppen, obgleich
fruchtbarer als die asiatischen, ohne Heerden waren, weil keines der
Thiere, die reichliche Milch geben, den Ebenen
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