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Avila vor sich. Aber gegen Abend truebt sich die Luft; die Berge umziehen
sich, Wolkenstreifen haengen an ihren immergruenen Seiten und theilen sie
gleichsam in uebereinanderliegende Zonen. Allmaehlich verschmelzen diese
Zonen, die kalte Luft, die von der Silla herabkommt, staut sich im engen
Thal und verdichtet die leichten Duenste zu grossen flockigten Wolken. Diese
Wolken senken sich oft bis ueber das Kreuz von Guayra herab und man sieht
sie dicht am Boden gegen la Pastora und das benachbarte Quartier Trinidad
fortziehen. Beim Anblick dieses Wolkenhimmels meinte ich nicht in einem
gemaessigten Thale der heissen Zone, sondern mitten in Deutschland, auf den
mit Fichten und Lerchen bewachsenen Bergen des Harzes zu seyn.
Aber dieser duestere, schwermuethige Charakter der Landschaft, dieser
Contrast zwischen dem heitern Morgen und dem bedeckten Himmel am Abend ist
mitten im Sommer verschwunden. Im Juni und Juli sind die Naechte hell und
ausnehmend schoen; die Luft behaelt fast bestaendig die den Hochebenen und
hochgelegenen Thaelern eigenthuemliche Reinheit und Durchsichtigkeit, so
lange sie ruhig bleibt und der Wind nicht Schichten von verschiedener
Temperatur durcheinander wirft. In dieser Sommerzeit prangt die
Landschaft, die ich nur wenige Tage zu Ende Januars in schoener Beleuchtung
gesehen, in ihrer vollen Pracht. Die beiden runden Gipfel der Silla
erscheinen in Caracas fast unter demselben Hoehenwinkel(26) wie der Pic von
Teneriffa im Hafen von Orotava. Die untere Haelfte des Bergs ist mit kurzem
Rasen bedeckt; dann kommt die Zone der immergruenen Straeucher, die zur
Bluethezeit der Befaria, der Alpenrose des tropischen Amerika, purpurroth
schimmert. Ueber dieser Waldregion steigen zwei Felsmassen in Kuppelform
empor. Sie sind voellig kahl und dadurch erscheint der Berg, der im
gemaessigten Europa kaum die Schneegrenze erreichte, hoeher, als er wirklich
ist. Mit diesem grossartigen Prospekt der Silla und der Bergscenerie im
Norden der Stadt steht der angebaute Strich des Thals, die lachende Ebene
von Chacao, Petare und la Vega im angenehmsten Contrast.
Man hoert das Klima von Caracas oft einen ewigen Fruehling nennen, und
dasselbe findet sich ueberall im tropischen Amerika auf der halben Hoehe der
Cordilleren, zwischen 400 und 900 Toisen ueber dem Meer, wenn nicht sehr
breite Thaeler und Hochebenen und duerrer Boden die Intensitaet der
strahlenden Waerme uebermaessig steigern. Was laesst sich auch Koestlicher
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