wei Menschenklassen, man
koennte sagen zwei streng geschiedene Generationen. Die eine, nicht mehr
sehr zahlreiche, haelt fest an den alten Braeuchen und hat die alte
Sitteneinfalt und Maessigung in Wuenschen und Begierden bewahrt. Sie lebt nur
in der Vorzeit; in ihrer Vorstellung ist Amerika Eigenthum ihrer
Voreltern, die es erobert haben. Sie verabscheut die sogenannte Aufklaerung
des Jahrhunderts und hegt sorgfaeltig, wie einen Theil ihres Erbguts, die
ueberlieferten Vorurtheile. Die andere lebt weniger in der Gegenwart als in
der Zukunft und hat eine nicht selten leichtfertige Vorliebe fuer neue
Sitten und Ideen. Kommt zu dieser Neigung der Trieb, sich gruendlich zu
bilden, wird sie von einem kraeftigen, hellblickenden Geiste gezuegelt und
gelenkt, so wird sie in ihren Wirkungen der Gesellschaft erspriesslich. Ich
habe in Caracas mehrere durch wissenschaftlichen Sinn, angenehme Sitten
und grossartige Gesinnung gleich ausgezeichnete Maenner kennen gelernt, die
dieser zweiten Generation angehoerten; aber auch andere, die auf alles
Schoene und Achtungswuerdige im spanischen Charakter, in der Literatur und
Kunst dieses Volks herabsahen und damit ihre eigene Nationalitaet
einbuessten, ohne im Verkehr mit den Fremden richtige Begriffe ueber die
wahren Grundlagen des oeffentlichen Wohls und der gesellschaftlichen
Ordnung einzutauschen. Da seit der Regierung Karls V. der
Corporationsgeist und der Municipalhass aus dem Mutterland in die Colonien
uebergegangen sind, so findet man in Cumana und andern Handelsstaedten von
Terra Firma Gefallen daran, die Adelsansprueche der vornehmsten Familien in
Caracas, der sogenannten _'Mantuanos'_, mit Uebertreibung zu schildern.
Wie sich diese Ansprueche frueher geaeussert, weiss ich nicht; es schien mir
aber, als ob die fortschreitende Bildung und die in den Sitten sich
vollziehende Umwandlung nach und nach und fast durchgaengig den
gesellschaftlichen Unterschieden im Verkehr unter Weissen alles Verletzende
benommen haetten. In allen Colonien gibt es zweierlei Adel. Der eine
besteht aus Creolen, deren Vorfahren in juengster Zeit bedeutende Aemter in
Amerika bekleidet haben; er gruendet seine Vorrechte zum Theil auf das
Ansehen, in dem er im Mutterlande steht; er glaubt sie auch ueber dem Meere
festhalten zu koennen, gleichviel zu welcher Zeit er sich in den Colonien
niedergelassen; Der andere Adel haftet mehr am amerikanischen Boden; seine
Glieder sind Nachkommen der *Conquistadoren*, das hei
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