habe die Verpflichtung, der edlen
Gastfreundschaft zu gedenken, die wir bei dem damaligen Generalcapitaen der
Provinzen von Venezuela, Herrn von Guevara Vasconzelos, genossen. Es ward
mir das Glueck zu Theil, das nur wenige Spanier mit mir theilen, hinter
einander Caracas, Havana, Santa Fe de Bogota, Quito, Lima und Mexico zu
besuchen, und in diesen sechs Hauptstaedten des spanischen Amerika brachten
mich meine Verhaeltnisse mit Leuten aller Staende in Verbindung; dennoch
erlaube ich mir nicht, mich ueber die verschiedenen Stufen der Cultur
auszusprechen, welche die Gesellschaft in jeder Colonie bereits erstiegen.
Es ist leichter, die Schattirungen der Nationalcultur und die vorzugsweise
Richtung der geistigen Entwicklung anzugeben, als zu vergleichen und zu
classificiren, was sich nicht unter Einen Gesichtspunkt bringen laesst. In
Mexico und Santa Fe de Bogota schien mir die Neigung zu ernsten
wissenschaftlichen Studien vorherrschend, in Quito und Lima fand ich mehr
Sinn fuer schoene Literatur und Alles, was eine lebendige, feurige
Einbildungskraft anspricht, in der Havana und in Caracas groessere Bildung
hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhaeltnisse, umfassendere
Ansichten ueber die Zustaende der Colonien und der Mutterlaender. Der starke
Handelsverkehr mit Europa und das Meer der Antillen, das wir oben als ein
Mittelmeer mit mehreren Ausgaengen beschrieben, haben auf die
gesellschaftliche Entwicklung auf Cuba und in den schoenen Provinzen von
Venezuela gewaltigen Einfluss geaeussert. Nirgends sonst im spanischen
Amerika hat die Civilisation eine so europaeische Faerbung angenommen. Die
Menge Ackerbau treibender Indianer in Mexico und im Innern von Neu-Grenada
gibt diesen grossen Laendern einen eigenthuemlichen, man koennte sagen
exotischeren Charakter. Trotz der Zunahme der schwarzen Bevoelkerung glaubt
man sich in der Havana und in Caracas naeher bei Cadix und den Vereinigten
Staaten als in irgend einem Theil der neuen Welt.
Da Caracas auf dem Festland liegt und die Bevoelkerung nicht so beweglich
ist als auf den Inseln, haben sich die volksthuemlichen Gebraeuche mehr
erhalten als in der Havana. Sehr geraeuschvolle und sehr mannigfaltige
Zerstreuungen bietet die Gesellschaft nicht, aber im Kreise der Familien
empfindet man das Behagen, das munteres Wesen und Herzlichkeit im Verein
mit seiner Sitte in uns erzeugen. Es gibt in Caracas, wie ueberall, wo eine
grosse Umwaelzung in den Vorstellungen bevorsteht, z
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