. Um so mehr war es unsere Aufgabe,
die Ruhe zu behalten und die Verhaeltnisse zwar ohne Selbsttaeuschung, aber
auch ohne uebertriebenen Pessimismus zu betrachten.
Die militaerische Lage war freilich ernst geworden. Die Gefechtslage auf
der angegriffenen Verteidigungsfront konnte allerdings wiederhergestellt,
das verlorene Kriegsgeraet wieder ergaenzt, neue Kraefte konnten herangefuehrt
werden. Damit war jedoch die Wirkung der Niederlage nicht aufgehoben. Es
war zu erwarten, dass der Gegner, durch seinen grossen Erfolg angeregt,
solche Angriffe nunmehr auch an anderen Stellen unternehmen wuerde. Er
hatte jetzt die Erfahrung gemacht, dass sich in unserem Verteidigungssystem
dem des Jahres 1917 gegenueber mancherlei Maengel befanden. Zunaechst in
technischer Beziehung. Auf den seit dem Fruehjahr 1918 neu gewonnenen
Linien war von unseren Truppen im allgemeinen nur wenig geschanzt worden.
Es wurde, wie in der Gegend oestlich Amiens, so auch an anderen Stellen der
Front, zu viel von Fortsetzung der Angriffe, zu wenig von der
Notwendigkeit der Verteidigung gesprochen. Dazu kam, dass die Haltung eines
grossen Teiles unserer Truppen im Gefecht den Gegner ueberzeugt haben musste,
dass an unseren Verteidigungsfronten der zaehe Widerstandswille von 1917
nicht mehr durchgehends vorhanden war. Der Feind hatte ferner seit dem
Fruehjahr von uns gelernt. Er hatte in den letzten Operationen diejenige
Taktik gegen uns angewendet, mit der wir ihn wiederholt gruendlich
geschlagen hatten. Er war auf unsere Linien gefallen, nicht mehr nach
monatelangen Angriffsvorbereitungen, auch hatte er die Entscheidung nicht
mehr in dem Hineintreiben eines Keiles in unsere Verteidigung gesucht,
sondern er hatte uns in breiten Anstuermen ueberrascht. Er wagte nunmehr
diese unsere Taktik, weil er die Schwaechen unserer Verteidigungsfront
erkannt hatte. Wiederholte der Gegner diese Angriffe mit gleicher Wucht,
so entbehrte er bei der nunmehrigen Verfassung unseres Heeres nicht voellig
der Aussicht, unsere Widerstandskraft allmaehlich zu laehmen. Andererseits
schoepfte ich aber aus dem Umstande, dass der Feind aus seinen grossen
Anfangserfolgen auch dieses Mal nicht die Vorteile eingeheimst hatte, die
ihm haetten werden koennen, wieder die Hoffnung, dass wir weitere Krisen
ueberwinden wuerden.
Aus diesem Gedankengang heraus glaubte ich, mich am 13. August der
Reichsleitung gegenueber in einer politischen Beratung in Spa ueber die
militaerische Lage dahin
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