derlegung des Grafen
noch keineswegs bei dem Erschoepfungstod angelangt war. Es lag in den
Gedankenverbindungen des Grafen Czernin eine Art von Sichselbstaufgeben.
Ob er dabei nicht imstande war, den Friedensbestrebungen seines Kaisers
Widerstand zu leisten, oder ob er diese vielleicht in innerster
Ueberzeugung unterstuetzte, vermochte ich waehrend seiner Amtsfuehrung nicht
klar zu durchschauen. Jedenfalls verkannte der Graf die Gefahren, die in
einer uebertriebenen und ganz besonders zu oft wiederholten Betonung der
Friedensbereitschaft solchen Feinden wie den unserigen gegenueber enthalten
waren. Nur so wird es verstaendlich, dass er in einer Zeit des scheinbar
beginnenden Heranreifens unserer Unterseebooterfolge, des Misserfolges der
feindlichen Fruehjahrsoffensive und der Rueckwirkung der staatlichen
Aufloesung in Russland auf unsere Feinde die politische Ruhe verlor und die
Friedensresolution im Deutschen Reichstage anregte.
Ich war der Meinung, dass es Graf Czernin an der bundesbruederlichen
Gesinnung uns gegenueber nicht fehlen lassen wollte, selbst als er uns bei
den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk und Bukarest vor mancherlei
Ueberraschungen stellte. Er befuerchtete damals wohl, dass die Donaumonarchie
ein etwaiges Scheitern dieser Verhandlungen nicht ueberwinden koennte, und
dass der Schrei nach Brot in Wien unbedingt eine baldige Vereinbarung mit
der Ukraine forderte.
Unter der aussenpolitischen Leitung Czernins fand die polnische Frage
zwischen uns und Oesterreich-Ungarn keinen Abschluss. Eine Preisgabe ganz
Polens an die Doppelmonarchie war und blieb aus den schon frueher beruehrten
Gruenden fuer uns unannehmbar.
Der Nachfolger des Grafen Czernin, Graf Burian, war mir aus seiner
Taetigkeit als Aussenminister der vorczerninschen Zeit schon in Pless bekannt
geworden. Bei der Umstaendlichkeit Burians, die bei allen wichtigeren
Fragen zutage trat, konnte ich eine Erledigung des polnischen Problems in
absehbarer Zeit nicht erhoffen. Ich muss auch offen eingestehen, dass meine
Gedanken in der nunmehr folgenden Zeit von entscheidenderen Dingen in
Anspruch genommen wurden als von so langwierigen, unfruchtbaren
Verhandlungen.
Bei seiner Wiederberufung als Aussenminister hatte Graf Burian das
begreifliche Bestreben, moeglichst bald einen Ausweg aus unserer
politischen Lage zu finden. Es war menschlich verstaendlich, dass er unter
dem Eindruck der sich im besten verschlimmernden Kriegslage mit groesster
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