r Aufenthalt in den gemaessigten Thaelern von Mexico haben
den tiefen Eindruck verwischt, den das Schauspiel der Katarakten auf mich
gemacht. Lese ich eine Beschreibung indischer Landschaften, deren
Hauptreize stroemende Wasser und ein kraeftiger Pflanzenwuchs sind, so
schwebt mir ein Schaummeer vor, und Palmen, deren Kronen ueber einer
Dunstschicht emporragen. Es ist mit den grossartigen Naturscenen, wie mit
dem Hoechsten in Poesie und Kunst: sie lassen Erinnerungen zurueck, die
immer wieder wach werden und sich unser Lebenlang in unsere Empfindung
mischen, so oft etwas Grosses und Schoenes uns die Seele bewegt.
Die Stille in der Luft und das Toben der Wasser bilden einen Gegensatz,
wie er diesem Himmelsstriche eigenthuemlich ist. Nie bewegt hier ein
Windhauch das Laub der Baeume, nie truebt eine Wolke den Glanz des blauen
Himmelsgewoelbes; eine gewaltige Lichtmasse ist durch die Luft verbreitet,
ueber dem Boden, den Gewaechse mit glaenzenden Blaettern bedecken, ueber dem
Strom, der sich unabsehbar hinbreitet. Dieser Anblick hat fuer den
Reisenden, der im Norden von Europa zu Hause ist, etwas ganz Befremdendes.
Stellt er sich eine wilde Landschaft vor, einen Strom, der von Fels zu
Fels niederstuerzt, so denkt er sich auch ein Klima dazu, in dem gar oft
der Donner aus dem Gewoelk mit dem Donner der Wasserfaelle sich mischt, wo
am duestern, nebligten Tage die Wolken in das Thal herunter steigen und in
den Wipfeln der Tannen haengen. In den Niederungen der Festlaender unter den
Tropen hat die Landschaft eine ganz eigene Physiognomie, eine
Grossartigkeit und eine Ruhe, die selbst da sich nicht verlaeugnet, wo eines
der Elemente mit unueberwindlichen Hindernissen zu kaempfen hat. In der Naehe
des Aequators kommen heftige Stuerme und Ungewitter nur auf den Inseln, in
pflanzenlosen Wuesten, kurz ueberall da vor, wo die Luft auf Flaechen mit
sehr abweichender Strahlung ruht.
Der Huegel Manimi bildet die oestliche Grenze einer Ebene, aus der man
dieselben, fuer die Geschichte der Vegetation, das heisst ihrer allmaehligen
Entwicklung auf nackten, kahlen Bodenstrecken wichtigen Erscheinungen
beobachtet, wie wir sie oben beim Raudal von Atures beschrieben. In der
Regenzeit schwemmt das Wasser Dammerde aus dem Granitgestein zusammen,
dessen kahle Baenke wagerecht daliegen. Diese mit den schoensten,
wohlriechendsten Gewaechsen geschmueckten Landeilande gleichen den mit
Blumen bedeckten Granitbloecken, welche die Alpenbewohner Jardi
|