der Gegenwartspolitik widersprach meinen Neigungen. Vielleicht
war hierfuer mein Hang zur politischen Kritik zu schwach, vielleicht auch
mein soldatisches Gefuehl zu stark entwickelt. Auf letztere Ursache ist
dann wohl auch meine Abneigung gegen alles Diplomatische zurueckzufuehren.
Man nenne diese Abneigung Vorurteil oder Mangel an Verstaendnis, die
Tatsache haette ich auch dann an dieser Stelle nicht abgeleugnet, wenn ich
ihr waehrend des Krieges nicht so oft und so laut haette Ausdruck geben
muessen. Ich hatte das Empfinden, als ob die diplomatische Beschaeftigung
wesensfremde Anforderungen an uns Deutsche stellt. Darin liegt wohl einer
der Hauptgruende fuer unsere aussenpolitische Rueckstaendigkeit. Eine solche
musste sich um so staerker geltend machen, je mehr wir durch machtvolle
Entfaltung unseres Handels und unserer Industrie sowie durch Hinausdraengen
unserer geistigen Kraefte ueber die vaterlaendischen Grenzen hinaus zu einem
Weltvolk zu werden schienen. Das in sich geschlossene, ruhige, staatliche
Kraftbewusstsein, wie es Englands Politiker bewahrten, fand ich nicht immer
bei den unserigen.
Weder bei meiner Taetigkeit in den hoeheren Fuehrerstellen des Ostens noch
bei meiner Berufung in den Wirkungskreis als Chef des Generalstabes des
Feldheeres hatte ich das Beduerfnis und die Neigung, mich mehr als
unbedingt notwendig mit gegenwaertigen politischen Fragen zu beschaeftigen.
Freilich hielt ich in einem Koalitionskrieg mit seinen unendlich vielen
und mannigfaltigen, auf die Kriegfuehrung wirkenden Entscheidungen eine
voellige Zurueckhaltung der Kriegsleitung von der Politik fuer unmoeglich.
Trotzdem erkannte ich auch in unserem Falle das, was Bismarck als Norm fuer
das gegenseitige Verhaeltnis zwischen militaerischer und politischer Fuehrung
im Kriege hingestellt hatte, als durchaus einem gesunden Zustand
entsprechend. Auch Moltke stand auf dem Boden der bismarckschen
Auffassung, wenn er sagte:
"Der Fuehrer hat bei seinen Operationen den militaerischen Erfolg in
erster Linie im Auge zu behalten. Was aber die Politik mit seinen Siegen
oder Niederlagen anfaengt, ist nicht seine Sache, deren Ausnuetzung ist
vielmehr allein Sache der Politiker."
Andererseits wuerde ich es aber doch vor meinem Gewissen nicht haben
verantworten koennen, wenn ich nicht meine Anschauungen in all den Faellen
zur Geltung gebracht haette, in denen die Bestrebungen anderer uns nach
meiner Ueberzeugung auf eine bedenkliche Bahn
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