ne gesunden,
erfrischenden und staatsfoerdernden Saefte in die entfernten Provinzen. Neue
Gedanken waren freilich waehrend des Krieges entstanden und wuchsen mit den
kriegerischen Lorbeeren der Siege an den Dardanellen und am Tigris in echt
orientalischer Ueppigkeit. Man begann, an die religioese und politische
Vereinigung des gesamten Islams zu denken. Man erbaute sich, trotz der
sichtbaren Misserfolge bei Verkuendung des Heiligen Krieges, an dem
Auftreten mohammedanischer Glaubenskaempfer, wie zum Beispiel im noerdlichen
Afrika. Der Gang der Ereignisse sollte indessen beweisen, dass diese
Erscheinung religioesen Fanatismus nur oertlichen Sonderheiten entsprang,
und dass Hoffnung auf deren Uebertragung in die weiten Gebiete des inneren
Asiens eine Taeuschung war, ja noch mehr als das: eine verhaengnisvolle
militaerische Gefahr.
Der Bulgare Radoslawow war in seinem politischen Denken mehr an die
Scholle gebunden, als der grosszuegige osmanische Staatsmann Talaat Pascha.
Ich wage zu bezweifeln, ob Radoslawow die Kuehnheit des Schrittes, der
Bulgarien 1915 an unsere Seite fuehrte, in seiner ganzen Groesse - ich darf
vielleicht sagen, in der von seinem Zaren ganz durchdachten Groesse -
wirklich voll in sich aufgenommen hatte. Unbedingt zuverlaessig war
Radoslawow in seiner Aussenpolitik fuer uns jederzeit.
Das bulgarische innerpolitische Parteigetriebe hatte in seiner wilden
Erregtheit waehrend des grossen Krieges nicht nachgelassen und war auch in
der Armee stark verbreitet. Nicht nur russophile Ideen trieben hier
spaltende Keile ein, auch der Kampf zwischen innerpolitischen
Parteigruppen uebertrug sich auf die Truppen und deren Fuehrer. An dieser
Tatsache war Radoslawow nicht unschuldig.
Leben im Grossen Hauptquartier
Ermuntert durch das Interesse, das von vielen Seiten an meinem
persoenlichen Leben waehrend des grossen Krieges genommen wurde, moechte ich
an dieser Stelle die Beschreibung eines regelmaessigen Tagesverlaufes in
unserem Hauptquartier einschieben. Ich bitte alle diejenigen, die an
solcher Kleinmalerei inmitten gewaltigster Weltereignisse wenig Gefallen
haben, die naechstfolgenden Seiten zu ueberschlagen. Ihre Kenntnis ist zum
Verstaendnis der grossen Zeit nicht notwendig.
Waehrend des Bewegungskrieges in Ostpreussen und Polen im Herbst 1914 war an
einen nach Stunden geregelten Dienstbetrieb innerhalb unseres Armeestabes
nicht zu denken gewesen. Erst mit der Verlegung u
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