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Zweifel, dass mit seinem Tode fuer die Voelkervielheit der Doppelmonarchie
der ideelle Vereinigungspunkt verloren ging. Sank doch mit dem
ehrwuerdigen, greisen Kaiser ein grosser Teil des nationalen Gewissens des
verschiedenstaemmigen Reiches fuer immer ins Grab.
Die Schwierigkeiten, denen der junge Kaiser gegenuebergestellt war, lassen
sich in ihrer Groesse und Mannigfaltigkeit mit denjenigen eines
Thronwechsels in stammeseinheitlichen Reichen nicht in Vergleich ziehen.
Der neue Herrscher versuchte den Wegfall der ethisch bindenden Macht, der
durch das Ableben Kaiser Franz Josephs eingetreten war, durch voelkisch
versoehnende Schritte zu ersetzen. Selbst staatszersetzenden Elementen
gegenueber glaubte er an die moralische Wirkung politischer Gnadenbeweise.
Das Mittel versagte voellig; diese Elemente hatten ihren Pakt mit unseren
gemeinsamen Feinden laengst geschlossen und waren weit entfernt, ihn
freiwillig wieder zu kuendigen.
Bei den vielfachen regen persoenlichen Beziehungen, die mir der Aufenthalt
in Pless mit dem damaligen Generaloberst Conrad von Hoetzendorf brachte,
bestaetigte sich mir der Eindruck, den ich schon frueher von ihm als Soldat
und Fuehrer erhalten hatte. General von Conrad war eine hochbegabte
Persoenlichkeit, ein gluehender oesterreichischer Patriot und ein
warmherziger Anhaenger unserer gemeinsamen Sache. Gegen politische
Einfluesse, die ihn aus dieser Richtung bringen wollten, war er zweifellos
aus tiefster Ueberzeugung ablehnend. Der Generaloberst war in seinem
operativen Denken sehr grosszuegig; er verstand es, die Kernpunkte unserer
gemeinsamen, grossen Fragen aus dem Wuste der weniger entscheidenden
Nebendinge herauszuschaelen. Er war ein besonders vortrefflicher Kenner der
Verhaeltnisse des Balkans und Italiens.
Die bedeutenden Schwierigkeiten, die einem nationalen Einheitsgeist der
oesterreichisch-ungarischen Armee entgegenstanden und die sich hieraus
ergebenden Maengel waren dem Generaloberst wohlbekannt. Trotzdem
ueberschaetzte er bei seinen hohen Plaenen hier und da die moeglichen
Leistungen des ihm anvertrauten Heeres.
Auch die militaerischen Fuehrer der Tuerkei und Bulgariens lernte ich im
Laufe des Herbstes und Winters in Pless persoenlich kennen.
Enver Pascha zeigte mir gegenueber einen ungewoehnlich weiten und freien
Blick fuer das Wesen der Fuehrung des gegenwaertigen Krieges und seiner
Durchfuehrung. Die Hingabe dieses Osmanen an unsere gemeinsame, grosse und
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