Und wie wird der Eindruck noch gesteigert, wenn gegen Sonnenuntergang sich
die Gipfel der Berge zu roethen anfangen, lange dunkle Schlagschatten in
die Thaeler fallen und Sant' Agnese in goldigem Licht auf dem grauen Fels
zu gluehen beginnt.
Doch die Zeit draengt, denn die Sonne im Westen ist lange schon hinter der
_Tete de chien_ verschwunden; die Nachtschatten senken sich hinab in die
Schluchten, waehrend ein langer steiniger Weg uns von Cabbe-Roquebrune, der
Eisenbahnstation, noch trennt.
In Cabbe-Roquebrune auf dem Bahnhof erwartet uns ein botanischer Genuss.
Ueber einer hohen Mauer am Abhang stehen maechtige Judasbaeume (_Cercis
siliquastrum_) und senken abwaerts ihre bluethenbeladenen, noch laubfreien
Zweige. Die schoenen, dicht gedraengten Bluethen entspringen auch dem alten
Holze, so dass die ganze Baumkrone wie ein einziges Blumengewinde
erscheint, von rosenrother Farbe. Dieser Baum ist in Suedeuropa zu Hause,
sehr haeufig sieht man ihn in Palaestina die Gaerten um Jerusalem schmuecken,
was wohl Veranlassung zu der Sage gab, Judas habe sich an demselben
erhaengt.
V.
Bezaubernd schoen ist Mentone, wenn man es vom Pont St. Louis aus
betrachtet. Das Bild gehoert zu den eindrucksvollsten der ganzen Riviera.
Doch muss man es am Morgen betrachten, wenn die Sonne das alte Mentone von
Osten her bescheint. Man folgt von Mentone aus in oestlicher Richtung der
Landstrasse und waehlt ihren linken Arm, dort, wo sie sich gabelt. Man
steigt dann sanft in die Hoehe, zwischen Villen und Mauern. Gibt es nicht
zu viel Staub auf der Strasse, so ist diese Wanderung ein Genuss. Denn die
angrenzenden Gaerten strotzen von ueppigen Gewaechsen, und ueberall draengt
sich der Ueberfluss derselben bis auf die Strasse. Die Pflanzen finden keinen
Platz mehr in der eingeengten Umfriedung und streben hinaus ins Freie.
Rosenrothe und feuerfarbige Pelargonien neigen sich ueber das Gitter, dort
haengt ein Rosenstrauch ueber dasselbe hinaus und traegt unzaehlige Bluethen.
Weiter ist eine ganze Mauer bis unten hinab mit einem epheublaetterigen
Kranichschnabel, dem _Pelargonium peltatum_, bedeckt, welcher so ueppig
blueht, dass die Blaetter unter den blassrothen Bluethen verschwinden. Jener
Strauch, der im grazioesen Bogen ueber eine andere Mauer sich beugt und
aehrenfoermige Rispen gelber Bluethen traegt, ist eine chinesische Buddleia
(_Buddleia Lindleyana_). Die ganze Strasse duftet jetzt nach Heliotrop, d
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