rchschreiten den Platz, dem
eine alte Ulme ihren Schatten spendet, wenden uns dann links und schlagen
den Fussweg ein, der, an einem offenen Brunnen vorbei, der Berglehne folgt.
Nach kaum halbstuendigem Aufstieg haben wir das weit sichtbare Kreuz
erreicht, das hoch oben, am vorspringenden Bergesrande dem Wetter trotzt.
Bei stark wehendem Mistral ist es kaum moeglich, an jener Stelle zu weilen;
das zersplitterte Kreuz, welches nur noch einen seiner Arme gegen den
Himmel streckt, zeugt von der Gewalt der Stuerme, die dort oben hausen.
Bereits von diesem Kreuze aus ist der Blick ueberwaeltigend schoen. Er umfasst
die saemmtlichen Thaeler, die bei Mentone muenden. Auf den Hoehen sieht man
jene wilden Ortschaften thronen, Burgen der Grimaldi und der Lascaris, die
einst diese Thaeler beherrschten; man umspannt mit dem Blicke den ganzen
Halbkreis steil aufsteigender Berge, welche die Thaeler maechtig umfassen
und eine undurchdringbare Schranke fuer das Auge bilden, das hingegen nach
Sueden zu unbegrenzt ueber dem blauen, endlosen Meere schweift. Eine weitere
Steigerung der Eindruecke haelt man nicht fuer moeglich, man kann sich schwer
von dieser Stelle trennen, und doch gewinnt das Bild noch an erhabener
Groesse, betrachtet von dem Bergruecken, der jetzt in suedlicher Richtung nach
Roccabruna fuehrt. Dann verschieben sich gegen einander, wie maechtige
Decorationen, die Felsriesen, die den Hintergrund der Thaeler schliessen,
und die Umrisse des Bildes werden immer reicher, immer bewegter. Bald
tritt im Mittelpunkte der Landschaft, am Nordabhange des maechtigsten
dieser Berge, Sant' Agnese hervor, ein ansehnliches Dorf, das in
schwindelnder Hoehe, wie ein Schwalbennest am Felsen, ueber dem Abgrund zu
haengen scheint. Wer konnte das Dasein dieses Ortes ahnen; ist er doch
gegen das Meer hin von dem Felsen ganz verdeckt, an den er sich klammert.
Dieser Felsen sollte ihn auch schuetzen und verbergen vor den spaehenden
Blicken der Saracenen, welche einst das tyrrhenische Meer durchkreuzten.
Und doch war es ein Saracenenhaeuptling Harun, der im zehnten Jahrhundert,
der Sage nach, die Burg erbaute, deren Ruinen den Bergesgipfel kroenen.
Doch nicht als Feind kam er hierher, sondern von der Liebe zu einer
Christin ueberwaeltigt, die er, selbst zum Christenthum bekehrt, zu seiner
Gattin machte.
Selbst wer den schoensten Theil Sueditaliens kennt, wird sicher die volle
Macht dieser herrlichen, so typisch italienischen Landschaft empfinden.
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