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geherrscht hat, nur waehrend sie sich im uebrigen Polynesien ausbreitete,
so erlag sie schon sehr frueh und lange vor der Entdeckung dem besseren
Sinn der Tonganer, wie sie auch andere aehnliche Sitten aufgaben, z. B.
die Ermordung der Weiber beim Tode der Maenner, von der Mariner als von
einer frueher gebraeuchlichen hoerte (1, 342), die aber zu seiner Zeit
schon ausser Gebrauch gekommen war.
Da wir nun Gruende haben, bei den Polynesiern diesen Gebrauch fuer einen
urspruenglich religioesen zu halten, der freilich in spaeterer Zeit aus
ganz anderen Motiven, aus Faulheit, Eitelkeit, Lieblosigkeit,
Standeshochmuth u.s.w. sich unendlich verbreitete und das ganze Leben
der Nation in der neuen Gestalt anfrass; so moechte auch die ziemlich
weite Verbreitung der Sitte, wie wir sie im eigentlichen Malaisien von
Luzon bis nach Madagaskar hin nachwiesen, auf demselben Princip beruhen.
Wie es sich in Suedamerika hiermit verhaelt, lassen wir, da es uns an
aelteren Daten fehlt, uneroertert; doch hat hier vielleicht eine aehnliche
Grundanschauung geherrscht, als wir sie fuer Polynesien annahmen. Denn in
Mexiko wenigstens glaubte man, kleine Kinder, welche stuerben, seien den
Goettern besonders lieb; sie kaemen zu einem Baum, von welchem bestaendig
Milch herabtraeufele, und seien Vermittler zwischen Goettern und Menschen
(Waitz 4, 166). Kinderopfer, um die Goetter gnaedig zu stimmen, kamen viel
bei ihnen vor (4, 159) und das Bild des Gottes, das sie bei der
Ceremonie, die unserem Abendmahl aehnlich ist, unter sich vertheilen und
als "das Fleisch Gottes" verzehren, war mit Kinderblut angefertigt, wie
auch bei den Totonaken die Kuchen bereitet waren, welche sie "das Brot
unseres Lebens" nannten (Waitz 4, 161). Jetzt scheint diese Sitte dort
keine anderen Motive zu haben, als Eitelkeit, Faulheit und Elend und
Noth[I]. Das Toedten von Zwillingen oder des einen von beiden Kindern
beruht auf anderen Grundlagen: es geht aus von dem Schreck ueber das
portentum einer mehrfachen Geburt, in welcher man etwas Unnatuerliches
und daher Unheimliches oder aber eine Thieraehnlichkeit sah.
Sec. 9. Krieg und Kannibalismus.
Haben wir oben gesehen, wie wenig das Menschenleben bei den Naturvoelkern
geachtet wurde, so werden wir von seinem geringen Werth bei ihnen im
Folgenden noch massenhaftere Beispiele finden, da wir uns zunaechst mit
der Frage beschaeftigen muessen, welchen Einfluss auf Zahl und Existenz
dieser Voelker haben Krieg, Kanni
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