dann den Mund oeffnete, als ob er es verschlaenge und
durch diese Ceremonie Verstand und Klugheit bekommen sollte.
Urspruenglich hat er es gewiss gegessen, und erst spaeter, als die Sitten
sich milderten, begnuegte man sich, wie in analogen Faellen bei allen
Voelkern der Welt, mit einer symbolischen Handlung. Im Samoaarchipel
beugt sich, wer dem Sieger als besiegt sich unterwirft, vor demselben
nieder, indem er ihm Feuerholz und die Blaetter darreicht, in welche man
in Polynesien die Speisen, die gekocht werden sollen, einschlaegt (Turner
194). Und so liesse sich vieles anfuehren. Es scheint aber, als ob, wie
die Tahitier, Hawaier u.s.w. die Menschenfresserei abgeschafft hatten,
ehe die Europaeer kamen, noch an manchen anderen Orten Polynesiens
dieselbe Sitte in Abnahme oder doch in Misskredit gekommen sei, ohne
dass der Einfluss der Europaeer dies bewirkt haette: so laeugneten auf
Nukuhiva die wilden Taipis den Kannibalismus ganz und gar, und suchten
ihn den Weissen zu verbergen, wie Melville mittheilt. Und die
neuseelaendischen Fuersten erzaehlten, er sei keineswegs von Alters her bei
ihnen Sitte, sondern erst spaeter eingefuehrt (Thomson 1, 142), eine
Behauptung, welche entschieden falsch und nur von ihnen erfunden kaum
eine Widerlegung verdient.
Sec. 10. Menschenopfer.
In Nordamerika sind Menschenopfer nicht sehr zahlreich gewesen. In
Florida wurden Weiber und Diener ehedem beim Tode des Herrn gleichfalls
getoedtet, um ihm im Jenseits zu dienen (Waitz 3, 199-200), wie man
ebendaselbst den Erstgeborenen der Sonne opferte. Kinderopfer werden
auch sonst oefters erwaehnt: in Virginien, in Neuengland, bei den Sioux
und sonst (Waitz 3, 207). Auch bei manchen Caribenstaemmen wurden mit den
gestorbenen Haeuptlingen einige seiner Weiber lebendig begraben (ebend.
3, 387) und vornehmen Leuten folgte ein Sklave nach (3, 334). Allein bei
allen diesen Voelkern sind die Menschenopfer von so wenig Ausdehnung
gewesen, dass wir bei ihnen, da sie fuer unsere Betrachtung gar keine
Bedeutung haben, nicht zu verweilen brauchen. Um so zahlloser aber waren
die Menschenopfer, welche die Religion der amerikanischen Kulturvoelker
forderte und deren Ursprung in uralte vorhistorische Zeit zurueckgeht
(Waitz 4, 157). Wo wir Menschenopfer finden, werden wir dieselben immer
mit groesster Wahrscheinlichkeit auf die alleraelteste Zeit zurueckfuehren,
denn sie wurzeln stets in sehr ernst gemeinter Religiositaet, nie in
Grausamkeit. Spaeter
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