und hat oft geirret; aber dass er hier
etwas behaupten sollte, wovon er auf der naechsten Seite gerade das
Gegenteil behauptet, das kann Aristoteles nicht. Endlich findet sich's
auch.
Doch ohne weitere Umstaende; hier ist die Erklaerung, an welcher Herr
Curtius verzweifelt.--Auf die Ehre einer tiefern Einsicht mache ich
desfalls keinen Anspruch. Ich will mich mit der Ehre einer groessern
Bescheidenheit gegen einen Philosophen, wie Aristoteles, begnuegen.
Nichts empfiehlt Aristoteles dem tragischen Dichter mehr, als die gute
Abfassung der Fabel; und nichts hat er ihm durch mehrere und feinere
Bemerkungen zu erleichtern gesucht, als eben diese. Denn die Fabel ist
es, die den Dichter vornehmlich zum Dichter macht: Sitten, Gesinnungen
und Ausdruck werden zehnen geraten, gegen einen, der in jener untadelhaft
und vortrefflich ist. Er erklaert aber die Fabel durch die Nachahmung
einer Handlung, [Greek: praxeos]; und eine Handlung ist ihm eine
Verknuepfung von Begebenheiten, [Greek: synthesin pragmaton]. Die Handlung
ist das Ganze, die Begebenheiten sind die Teile dieses Ganzen: und so wie
die Guete eines jeden Ganzen auf der Guete seiner einzeln Teile und deren
Verbindung beruhet, so ist auch die tragische Handlung mehr oder weniger
vollkommen, nachdem die Begebenheiten, aus welchen sie bestehet, jede fuer
sich und alle zusammen, den Absichten der Tragoedie mehr oder weniger
entsprechen. Nun bringt Aristoteles alle Begebenheiten, welche in der
tragischen Handlung statthaben koennen, unter drei Hauptstuecke: des
Glueckswechsels, [Greek: peripeteias]; der Erkennung, [Greek: anagnorismou];
und des Leidens, [Greek: pathous]. Was er unter den beiden erstern
versteht, zeigen die Worte genugsam; unter dem dritten aber fasst er alles
zusammen, was den handelnden Personen Verderbliches und Schmerzliches
widerfahren kann; Tod, Wunden, Martern und dergleichen. Jene, der
Glueckswechsel und die Erkennung, sind das, wodurch sich die verwickelte
Fabel, [Greek: mythos peplegmenos], von der einfachen, [Greek: aplo],
unterscheidet; sie sind also keine wesentliche Stuecke der Fabel; sie
machen die Handlung nur mannigfaltiger, und dadurch schoener und
interessanter; aber eine Handlung kann auch ohne sie ihre voellige Einheit
und Rundung und Groesse haben. Ohne das dritte hingegen laesst sich gar keine
tragische Handlung denken; Arten des Leidens, [Greek: pathos], muss jedes
Trauerspiel haben, die Fabel desselben mag einfach oder verwickelt sei
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