muessen wir
zuvoerderst das Original des Italieners kennenlernen; und um das poetische
Verdienst des letztern gehoerig zu schaetzen, muessen wir vor allen Dingen
einen Blick auf die historischen Fakta werfen, auf die er seine Fabel
gegruendet hat.
Maffei selbst fasset diese Fakta in der Zueignungsschrift seines Stueckes
folgendergestalt zusammen. "Dass, einige Zeit nach der Eroberung von
Troja, als die Herakliden, d.I. die Nachkommen des Herkules, sich in
Peloponnesus wieder festgesetzet, dem Kresphont das messenische Gebiete
durch das Los zugefallen; dass die Gemahlin dieses Kresphonts Merope
geheissen; dass Kresphont, weil er dem Volke sich allzuguenstig erwiesen,
von den Maechtigern des Staats, mitsamt seinen Soehnen, umgebracht worden,
den juengsten ausgenommen, welcher auswaerts bei einem Anverwandten seiner
Mutter erzogen ward; dass dieser juengste Sohn, Namens Aepytus, als er
erwachsen, durch Hilfe der Arkader und Dorier, sich des vaeterlichen
Reiches wieder bemaechtiget, und den Tod seines Vaters an dessen Moerdern
geraechet habe: dieses erzaehlet Pausanias. Dass, nachdem Kresphont mit
seinen zwei Soehnen umgebracht worden, Polyphont, welcher gleichfalls aus
dem Geschlechte der Herakliden war, die Regierung an sich gerissen; dass
dieser die Merope gezwungen, seine Gemahlin zu werden; dass der dritte
Sohn, den die Mutter in Sicherheit bringen lassen, den Tyrannen nachher
umgebracht und das Reich wieder erobert habe: dieses berichtet
Apollodorus. Dass Merope selbst den gefluechteten Sohn unbekannterweise
toeten wollen; dass sie aber noch in dem Augenblicke von einem alten Diener
daran verhindert worden, welcher ihr entdeckt, dass der, den sie fuer den
Moerder ihres Sohnes halte, ihr Sohn selbst sei; dass der nun erkannte Sohn
bei einem Opfer Gelegenheit gefunden, den Polyphont hinzurichten: dieses
meldete Hyginus, bei dem Aepytus aber den Namen Telephontes fuehret."
Es waere zu verwundern, wenn eine solche Geschichte, die so besondere
Glueckswechsel und Erkennungen hat, nicht schon von den alten Tragicis
waere genutzt worden. Und was sollte sie nicht? Aristoteles, in seiner
Dichtkunst, gedenkt eines Kresphontes, in welchem Merope ihren Sohn
erkenne, eben da sie im Begriffe sei, ihn als den vermeinten Moerder ihres
Sohnes umzubringen; und Plutarch, in seiner zweiten Abhandlung vom
Fleischessen, zielet ohne Zweifel auf ebendieses Stueck,[1] wenn er sich
auf die Bewegung beruft, in welche das ganze Theater gerate,
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