trockenen Jahreszeit, wenn ein wallender Dunst ueber dem gluehenden Boden
schwebt, wird das Gruen und die Fruchtbarkeit durch kuenstliche Bewaesserung
unterhalten. Hin und wieder kommt der Granit im angebauten Land zu Tage;
ungeheure Felsmassen steigen mitten im Thale steil empor. An ihren
nackten, zerkluefteten Waenden wachsen einige Saftpflanzen und bilden
Dammerde fuer kommende Jahrhunderte. Haeufig ist oben auf diesen einzeln
stehenden Huegeln ein Feigenbaum oder eine Clusia mit fleischigten Blaettern
aus den Felsritzen emporgewachsen und beherrscht die Landschaft. Mit ihren
duerren, abgestorbenen Aesten sehen sie aus wie Signalstangen auf einer
steilen Kueste. An der Gestaltung dieser Hoehen erraeth man, was sie frueher
waren: als noch das ganze Thal unter Wasser stand und die Wellen den Fuss
der Gipfel von Mariara, die *Teufelsmauer* (_el Rincon del Diablo_) und
die Kuestenbergkette bespuelten, waren diese Felshuegel Untiefen oder
Eilande.
Diese Zuege eines reichen Gemaeldes, dieser Contrast zwischen den beiden
Ufern des Sees von Valencia erinnerten mich oft an das Seegestade des
Waadtlands, wo der ueberall angebaute, ueberall fruchtbare Boden dem
Ackerbauer, dem Hirten, dem Winzer ihre Muehen sicher lohnt, waehrend das
savoyische Ufer gegenueber ein gebirgigtes, halb wuestes Land ist. In jenen
fernen Himmelsstrichen, mitten unter den Gebilden einer fremdartigen
Natur, gedachte ich mit Lust der hinreissenden Beschreibungen, zu denen der
Genfer See und die Felsen von Meillerie einen grossen Schriftsteller
begeistert haben. Wenn ich jetzt mitten im civilisirten Europa die Natur
in der neuen Welt zu schildern versuche, glaube ich durch die Vergleichung
unserer heimischen und der tropischen Landschaften meinen Bildern mehr
Schaerfe und dem Leser deutlichere Begriffe zu geben. Man kann es nicht oft
genug sagen: unter jedem Himmelsstriche traegt die Natur, sey sie wild oder
vom Menschen gezaehmt, lieblich oder grossartig, ihren eigenen Stempel. Die
Empfindungen, die sie in uns hervorruft, sind unendlich mannigfaltig,
gerade wie der Eindruck der Geisteswerke je nach dem Zeitalter, das sie
hervorgebracht, und nach den mancherlei Sprachen, von denen sie ihren Reiz
zum Theil borgen, so sehr verschieden ist. Nur Groesse und aeussere
Formverhaeltnisse koennen eigentlich verglichen werden; man kann den
riesigen Gipfel des Montblanc und das Himalayagebirge, die Wasserfaelle der
Pyrenaeen und die der Cordilleren zusammenhalten;
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