keinen Fall zu verrathen!
-- Michael, Michael! Konntest Du Dich bezwingen, als die Geissel ueber Marfa
Strogoff geschwungen ward? Nein, nein! - Es giebt keinen Eid, der einen
Sohn hindern koennte, seiner Mutter zu Hilfe zu eilen.
-- Ich habe meinen Eid verletzt, Nadia, wiederholte Michael Strogoff
traurig. Gott und der Vater (d. i. der Czaar) moegen es mir vergeben.
-- Michael, sagte das junge Maedchen, ich habe eine Frage an Dich. Antworte
mir nicht, wenn Du glaubst, es nicht zu duerfen. Von Dir beleidigt mich
nichts.
-- Sprich, Nadia!
-- Warum eilst Du, nachdem Dir der Brief des Czaaren geraubt wurde, noch
immer so dringend nach Irkutsk?"
Michael Strogoff drueckte die Hand seiner Fuehrerin waermer, aber er gab
keine weitere Antwort.
"Kanntest Du den Inhalt des Briefes schon vor Deiner Abreise aus Moskau?
-- Nein, er war mir unbekannt.
-- Soll ich annehmen, Michael, dass nur das Verlangen, mich meinem Vater
zuzufuehren, Dich jetzt nach Irkutsk treibt?
-- Nein, Nadia, ich wuerde Dich taeuschen, wenn ich diesen Glauben in Dir
erweckte. Ich gehe nur dahin, wohin meine Pflicht mir befiehlt! Wie kann
ich Dich nach Irkutsk fuehren, bist Du es nicht, Nadia, die im Gegentheil
mich jetzt leitet? Sehe ich nicht durch Deine Augen, haelt mich nicht Deine
Hand auf dem Wege? Hast Du mir nicht hundertfach die kleinen Dienste
vergolten, die ich Dir vielleicht vorher leisten konnte? Ich weiss nicht,
wann das Unglueck muede sein wird, uns zu pruefen, aber ich weiss, dass ich an
dem Tage, da Du mir danken willst, Dich in die Haende Deines Vaters gefuehrt
zu haben, Dir innig danken werde fuer Deine treue Leitung auf meinem Wege!
-- Armer Michael! sagte Nadia tief bewegt. Sprich nicht solche Worte! Das
ist keine Antwort auf meine Frage. Warum, Michael, draengst Du jetzt so, in
Irkutsk einzutreffen?
-- Weil ich vor Iwan Ogareff dort sein muss! gestand ihr Michael Strogoff.
-- Auch jetzt noch?
-- Auch jetzt, und es wird mir gelingen!"
Diese letzten Worte betonte Michael Strogoff nicht nur aus Hass gegen den
Verraether. Aber Nadia merkte es, dass ihr Begleiter ihr nicht Alles sagte,
nicht Alles sagen durfte.
Drei Tage spaeter, am 15. September, erreichten Beide den Flecken
Kuitunskoe, siebzig Werst von Tulunowskoe.
Das junge Maedchen hielt sich nur mit aeusserster Anstrengung noch aufrecht.
Ihre wunden Fuesse versagten ihr fast den Dienst. Aber sie widerstand dem
Schmerze, sie bekaempfte die Ermuedung; ih
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