ie unendlichen Steppen sich
kaum vor ihrem Auge entrollen, jene Steppen, die sie beinahe selbst nicht
einmal haette betreten duerfen; ihr Blick schweifte hinaus ueber den
entfernten Horizont, hinter dem sie das Gesicht des Verbannten suchte. Sie
beobachtete nichts von der Landschaft, die sie mit einer Schnelligkeit von
sechzehn Werst die Stunde durchflog, nichts von den Gegenden des
westlichen Sibiriens, die sich von dem des oestlichen so merklich
unterscheiden. Hier begegnet man nur sehr selten angebauten Feldern,
einem, mindest auf der Oberflaeche, sehr mageren Boden, denn in seinem
Innern birgt er neben einem Ueberfluss von Eisen auch viel Kupfer, Gold und
Platin. Deshalb sieht man wiederholt wohl huettengewerbliche Anlagen, aber
fast nirgends landwirthschaftliche Ansiedelungen. Woher sollte man auch
die noethigen Arme nehmen, die Erde zu pfluegen, die Felder zu besaeen, die
Erndten einzuholen, wenn es eintraeglicher ist, die Eingeweide der Erde mit
Spitzhaue und Schlaegel zu durchwuehlen? Hier hat der Landbauer dem Bergmann
den Platz geraeumt. Die Hacke trifft man ueberall, den Spaten nirgends.
Manchmal loesten sich Nadia's Gedanken indess doch von den entlegenen
Provinzen am Baikalsee los und richteten sich mit Interesse auf ihre
gegenwaertige Lage. Das Bild ihres Vaters verwischte sich ein wenig und sie
sah wieder ihren edelmuethigen Reisegefaehrten zuerst auf der Eisenbahn von
Wladimir, wo sie die Vorsehung zum ersten Male mit ihm zusammen gefuehrt
hatte. Sie erinnerte sich seiner Aufmerksamkeit waehrend der Fahrt, seines
Erscheinens auf dem Polizei-Amte von Nishnij-Nowgorod, der wohlthuenden
Einfachheit, mit der er sie mit der Bezeichnung Schwester anredete, seiner
Sorgfalt fuer sie waehrend der Fahrt auf der Wolga, endlich alles dessen,
was er in der schrecklichen Gewitternacht im Ural gethan hatte, um mit
Gefahr seines Lebens das ihrige zu retten!
Nadia dachte also an Michael Strogoff. Sie dankte Gott dafuer, dass er ihr
gerade diesen wachsamen Beschuetzer, diesen edelmuethigen und verschwiegenen
Freund zugefuehrt hatte. Sie fuehlte sich neben ihm, unter seinem Schutze
vollkommen in Sicherheit. Ein wirklicher Bruder haette nicht besser an ihr
handeln koennen. Sie fuerchtete jetzt kein Hinderniss mehr; sie war
ueberzeugt, ihr Endziel zu erreichen.
Michael Strogoff selbst sprach nur wenig und gab sich vielmehr seinen
Gedanken hin. Er dankte seinerseits Gott, dass er ihm durch diese Begegnung
mit Nadia ersten
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